Tiktok ist ein internationaler Medienkonzern mit chinesischer Herkunft und Kapitalmehrheit. Das Unternehmen ist Bestandteil der Plattformökonomie. Diese verkörpert einen neuen ökonomischen Sektor, der top down über das Internet aufgezogen wurde. Potente Investoren haben diesen Weg gewählt, um das ökonomische Geschehen aus der Retorte neu zu entwickeln. So gedenken sie auch den Aufbau von gewerkschaftliche Strukturen und die Einbindung in gewachsene Tariflandschaften zu umgehen. Natürlich übt dieser Sektor dadurch auch einen starken Druck auf Betriebe aus, in denen gewerkschaftliche Standards erkämpft wurden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass diese auch hier wachsen, um dem Prekarierungssog etwas entgegenzusetzen. Diese Erkenntnis ist nun auch bei den Gewerkschaften angekommen und sie trägt erste Früchte. Der Arbeitskampf bei Tiktok ist das aktuellste Beispiel. Es zeigt ferner, dass chinesische Unternehmen nach der gleichen kapitalistischen Logik funktionieren wie alle anderen. Unsere sollte das auch: Auch in der Plattformökonomie sitzen wir mit unsereins im gleichen Boot. Ob in Schanghai, London, Los Angeles oder in Berlin. Über Solidaritätsbotschaften werden sich die Kolleg:innen freuen. (Jochen Gester)
Bild: »Wir trainierten eure Maschinen. Zahlt uns, was wir verdienen«, steht auf dem Banner der Tiktok-Beschäftigten. Foto: nd/Christian Lelek
Zweite Runde gegen Management und KI
s. dazu auch https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192689.arbeitskampf-massenentlassung-bei-tiktok-in-konkurrenz-zu-einer-ki.html
Von Christain Lelek
Die Social-Media-Plattform Tiktok will Stellen abbauen. Statt mit der Gewerkschaft Verdi über einen Tarifvertrag zu verhandeln, zieht Tiktok den Betriebsrat vor Gericht. Verdi kritisiert zudem »Einschüchterungsversuche« von Streikenden.
Im Streit um 165 Arbeitsplätze bei der Social-Media-Plattform Tiktok hat die Gewerkschaft Verdi ihre Mitglieder erneut zu einem Warnstreik aufgerufen. Am kommenden Montag sollen die Beschäftigten die Arbeit niederlegen. Verdi kritisiert die geringe Verhandlungsbereitschaft des chinesischen Unternehmens und berichtet von »Einschüchterungsversuchen gegenüber Beschäftigten« in Zusammenhang mit ihrer Streikteilnahme.
Tiktok hat angekündigt in Berlin 150 Mitarbeiter*innen aus der Content-Management-Abteilung entlassen zu wollen. Sie kontrollieren die hochgeladenen Inhalte. Die Arbeit soll laut Verdi künftig von einer Künstlichen Intelligenz (KI) und externen Dienstleistern verrichtet werden. Weitere 15 Stellen sollen bei der Streaming-Plattform Tiktok-Live abgebaut werden. Die Gewerkschaft will im Rahmen eines Sozialtarifvertrags mit Tiktok eine verlängerte Kündigungsfrist von einem Jahr sowie Abfindungszahlungen in Höhe von drei Jahresgehältern vereinbaren.
Sowohl Tiktok Germany als auch der Mutterkonzern Bytedance reagierten bisher nicht auf Anfragen von »nd«. Verdi gibt an, eine Tarifkommission gebildet zu haben und mehrere Gesprächsangebote unterbreitet zu haben. Tiktok verhandelt bis jetzt allerdings nur im Rahmen seiner gesetzlichen Verpflichtung über einen Sozialplan mit dem Betriebsrat. Dieser hat die bisher vorgelegten Angebote wiederum als unzureichend abgelehnt. Angaben der Gewerkschaft zufolge wird der Streit zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung ebenfalls am Montag vor dem Berliner Arbeitsgericht verhandelt.
»Statt Falschinformationen zu streuen, sollte Tiktok endlich an den Verhandlungstisch kommen.«Kathlen Eggerling Verdi-Gewerkschaftssekretärin
Bereits am vergangenen Mittwoch hatte Verdi die Berliner Niederlassung von Tiktok Germany bestreikt. Die Entscheidung für einen weiteren Warnstreiktag sei noch am Mittwoch auf einer Bootstour gefallen, an der 100 der 400 Beschäftigten teilnahmen. Das berichtet das Verdi-eigene Medienmagazin »M – Menschen Machen Medien«.
Im laufenden Arbeitskampf wirft Verdi der Unternehmensführung »Falschinformationen« und »Einschüchterungsversuche« vor. In einer auf Englisch verfassten internen Mitteilung vom Mittwoch soll Tiktok erklärt haben, dass Mitarbeiter*innen, die ihre Streikteilnahme nicht vorab angekündigt haben, gegen geltendes Recht verstoßen hätten. Mit entsprechenden Mitarbeiter*innen hätte Tiktok Einzelgespräche angekündigt. Die Mitteilung liegt »nd« vor. »Niemand muss seine Streikbeteiligung im Vorfeld anmelden. Statt Falschinformationen zu streuen, sollte Tiktok endlich an den Verhandlungstisch kommen«, erklärte Verdi-Gewerkschaftssekretärin Kathlen Eggerling.
Im vergangenen Herbst hatte Bytedance die weltweiten Pläne zum Stellenabbau in der Moderation von Inhalten bei Tiktok angekündigt und bald darauf in Südostasien umgesetzt. Dem Unternehmen nach wurden bereits damals 80 Prozent »verletzender Inhalte« von »automatisierten Technologien« entfernt.
Erstveröffentlicht im nd v. 25.7. 2025
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192870.arbeitskampf-in-berlin-streik-bei-tiktok-zweite-runde-gegen-management-und-ki.html?sstr=Lelek
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