Gemeinsame Erklärung gegen atomare Bedrohungen unterzeichnet
Diese Erklärung steht in einer guten Tradation. Erinnert sie doch an die Göttinger Achtzehn, 18 hochangesehene Naturwissenschaftler aus der Bundesrepublik Deutschland (darunter die Nobelpreisträger Otto Hahn, Max Born und Werner Heisenberg), die sich am 12. April 1957 in einer gemeinsamen Erklärung – der Göttinger Erklärung, auch Göttinger Manifest genannt – gegen die damals namentlich von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß angestrebte Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen wandten. Eine Forderung, die auch heute erneut und vermehrt von deutschen Politikern erhoben wird. Die Wissenschaftler setzten sich zugleich für die friedliche Verwendung der Atomenergie ein. Eine Forderung, die ihre heutigen Kollegen vernünftigerweise nicht mehr erheben. (wiki, Jochen Gester)
Im historischen Friedenssaal des Münsteraner Rathauses haben die Präsidenten der deutschen und japanischen Physikalischen Gesellschaften eine gemeinsame „Erklärung für die Zukunft“ unterzeichnet – ein eindringlicher Appell gegen atomare Aufrüstung und den Einsatz von Atomwaffen.
Am 14. November 2025 haben DPG-Präsident Klaus Richter und sein Amtskollege von der Physikalischen Gesellschaft von Japan, Seiji Miyashita, im historischen Friedenssaal des Münsteraner Rathauses eine gemeinsame „Erklärung für die Zukunft“ unterzeichnet. Mit dieser Erklärung sprechen beide Gesellschaften eine eindringliche Warnung vor den Gefahren aus, die von Atomwaffen – gleich welcher Art – ausgehen. Zugleich verweisen sie auf die Risiken, die bereits durch jede Form atomarer Aufrüstung entstehen.
Ein zentrales Anliegen der Erklärung ist der Hinweis auf die besondere Verantwortung von Physikerinnen und Physikern. DPG-Präsident Richter betonte, dass das Papier bewusst zukunftsorientiert formuliert sei: „Wir setzen uns für eine Zukunft ohne Atomwaffen ein, weil wir davon überzeugt sind, dass die Menschheit und dieser Planet eine gute Zukunft haben sollten und können.“
Die Initiative zu dieser gemeinsamen Erklärung ging von der Physikalischen Gesellschaft von Japan (JPS) aus. Eine deutsch-japanische Expertengruppe erarbeitete den Text, der anschließend von den jeweiligen Gremien beider Organisationen – im Falle der DPG vom Vorstandsrat – verabschiedet wurde.
Die feierliche Unterzeichnung fand im Rahmen der deutschen Abschlussveranstaltung des Internationalen Jahres der Quantenwissenschaft und -technologie 2025 statt und unterstreicht den Willen beider Gesellschaften, gemeinsam Verantwortung für eine friedlichere und sichere Zukunft zu übernehmen.
DIE ERKLÄRUNG
Vertreter der Physikalischen Gesellschaft Japans (JPS) und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) kamen im Rahmen des Internationalen Jahres der Quantenwissenschaft und -technologie der Vereinten Nationen in Münster zusammen, um den hundertsten Jahrestag des Beginns der Quantenrevolution zu begehen. Diese Revolution hat der Menschheit beispiellose Vorteile und Innovationen gebracht. Mit Blick auf das nächste Jahrhundert sind noch größere Fortschritte und Beiträge für die menschliche Gesellschaft zu erwarten. Als Physiker müssen wir über die Geschichte der Wissenschaft nachdenken, die Grundsätze wissenschaftlicher Arbeit hinterfragen und über die Verantwortung nachdenken, die mit der Wissenschaft einhergeht.
⇒ Erklärung für die Zukunft herunterladen [PDF des englischen Originals]
Von der klassischen Physik des 17. Jahrhunderts bis zur revolutionären Quantenmechanik, die um 1925 etabliert wurde, hat die Menschheit ihr Verständnis von Phänomenen auf atomarer Ebene vertieft und damit die Spaltung des Atoms ermöglicht. Hundert Jahre nach diesen Durchbrüchen bilden die Quantenprinzipien heute die Grundlage für einen Großteil des modernen Lebens. Physiker werden die Quantenmechanik weiter verfeinern, erforschen und anwenden und so eine quantengestützte Gesellschaft vorantreiben. Die gesellschaftlichen Beiträge, die auf physikalischen Prinzipien beruhen, gehen über die Quantenwissenschaft hinaus. So stützt sich beispielsweise der epochale Fortschritt der KI-Technologien, der mit dem Nobelpreis für Physik 2024 gewürdigt wurde, auf grundlegende Konzepte der Physik und bezieht Physiker in die Gestaltung einer transformativen Zukunft ein. Das Verständnis unserer Geschichte ist unerlässlich, um uns eine Vorstellung von der Zukunft zu machen. Wissenschaftliche Errungenschaften in der Physik wurden in der Vergangenheit für feindselige Zwecke missbraucht. Japan und Deutschland haben spezifische historische Perspektiven in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg, der vor 80 Jahren endete. Kurz vor Kriegsende wurden Atomangriffe auf Hiroshima und Nagasaki geflogen. Als Physiker müssen wir uns intensiv mit den tiefgreifenden Auswirkungen der Physik auf die Menschheit auseinandersetzen und uns für die Gestaltung einer besseren Zukunft einsetzen.
Das Russell-Einstein-Manifest vom 9. Juli 1955 in London und die Erklärungen der Nobelpreisträger vom 15. Juli 2024 in Lindau und vom 16. Juli 2025 in Chicago bekräftigen, dass ein Atomkrieg mit dem Überleben der Menschheit unvereinbar ist. Die Göttinger Erklärung vom 12. April 1957, in der sich 18 deutsche Physiker verpflichteten, sich nicht an der Herstellung, Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen zu beteiligen, hatte erheblichen Einfluss auf die nationale Politik. Diese Beispiele zeigen, dass Physiker nicht nur bahnbrechende physikalische Erkenntnisse gewinnen, sondern auch einen Beitrag zur Bewältigung globaler existenzieller Herausforderungen für die menschliche Zivilisation leisten, wie zum Beispiel Klimawandel, Atomwaffen und andere potenziell gefährliche disruptive Technologien.
Das Wissen der Physiker kann dazu beitragen, die Folgen des Einsatzes von Atomwaffen zu verstehen. Mehrere wissenschaftliche Studien haben die kurz- und langfristigen Folgen hoher Strahlendosen, des Fallouts und der Einbringung von Ruß in die Stratosphäre aufgezeigt, die zur Verwüstung von Regionen, zum Aussterben von Arten und zur Zerstörung von Ökosystemen führen können. Physiker können dazu beitragen, eine solche katastrophale Zukunft abzuwenden, indem sie die notwendigen Verifikationstechnologien für die nukleare Abrüstung entwickeln und die Öffentlichkeit für die Folgen sensibilisieren.
Die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen wie der globalen Erwärmung, der nachhaltigen Energieerzeugung, der Umweltverschmutzung und der nachhaltigen Entwicklung erfordert einen kontinuierlichen interdisziplinären Dialog zwischen Wissenschaftlern, politischen Entscheidungsträgern und Interessengruppen. Darüber hinaus sind Wissenschaftsdiplomatie und Diskurse innerhalb der globalen Wissenschaftsgemeinschaft unerlässlich. Münster, der Ort des Westfälischen Friedens von 1648, erinnert uns daran, dass die Früchte der Wissenschaft und unserer Arbeit friedlichen Zwecken und dem Wohlergehen der Menschen gewidmet sein sollten – und nicht Krieg, Zerstörung oder dem Untergang der Zivilisation. Vier Jahrhunderte Newton-Erbe und Münsters Friedensvermächtnis sind eine zeitlose Botschaft über Physik und Frieden für die Menschheit.
- Wir richten diese Erklärung insbesondere an die jüngeren Generationen, die die Zukunft gestalten, und fordern sie auf, sich mit den globalen existenziellen Herausforderungen der Menschheit wie dem Klimawandel oder der nuklearen Kriegsführung auseinanderzusetzen und sich für den Fortschritt der Menschheit einzusetzen.
- Als Physiker verpflichten wir uns, zum Überleben und Fortschritt der Menschheit beizutragen, indem wir die oben genannten Erklärungen unterstützen und uns für die friedliche Anwendung der Physik einsetzen.
- Wir rufen dazu auf, die derzeitigen internationalen Verpflichtungen zu verstärken, sich der Entwicklung, Herstellung, Erprobung, Stationierung oder dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen, insbesondere von Atomwaffen, zu enthalten.
- Wir fordern außerdem die Lösung internationaler Konflikte mit friedlichen und diplomatischen Mitteln, ohne Rückgriff auf Waffengewalt.
- Schließlich laden wir Physikgesellschaften und akademische Organisationen weltweit ein, sich dieser Verpflichtung anzuschließen.
Diese Erklärung wurde von der Generalversammlung und dem Vorstand der Physikalischen Gesellschaft Japans sowie vom Rat der Deutschen Physikalischen Gesellschaft verabschiedet.
Prof. Seiji Miyashita
81. Präsident der JPS
Prof. Dr. Klaus Richter
75. Präsident der DPG
14. November 2025 · Münster, Deutschland
Übersetzung mit DeepL
Quelle: https://www.dpg-physik.de/veroeffentlichungen/aktuell/2025/gemeinsame-erklaerung-gegen-atomare-bedrohungen-unterzeichnet