„1 – 2- 3 — Sahara wird bald frei!“

Für den 6. November hatte ein Solidaritätsbündnis zu einer Aktion vor der Marokkanischen Botschaft in Mitte aufgerufen. An diesem Tag jährt sich zum 50. Mal die Besetzung der West-Sahara durch den marokkanischen Staat, die bis heute mit Unterstützung der an der Fortführung kolonialer Strukturen interessierten imperialistischen Mächte andauert und das Selbstbestimmungsrecht der Sahauris mit Füßen tritt. Auf der Kundgebung vor der Botschaft wurden zahlreiche Solidaritätserklärungen abgegeben und mit der Losung „1 -2 -3 – die Sahara wird bald frei“ der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass dieser Unrechtszustand nicht dauerhaft Bestand haben kann. Auch Kollegen des Arbeitskreis Internationalismus MetallerInnen Berlin haben sich an dieser Aktion beteiligt.

Fotos: Jochen Gester

Kulturell begleitet wurde die Aktion durch Lieder der Befreiungsbewegung Polisario. Auf großen Plakaten wurde stellvertretend für die vielen politischen Gefangenen an das persönliche Schicksal einzelner Menschen aus dem Widerstand erinnert. Natürlich war die Auslandsvertretung Marokkos über diese Aktion nicht glücklich. Da so etwas hier nicht so einfach verboten werden kann, beschloss man dann, die Versammlung in großer Laustärke mit nationalistischem Liedgut und Popmusik zu überdröhnen. Das hatte jedoch nur eine begrenzte Wirkung, da die Organisatoren für eine gute Akkustik gesorgt hatten. Am Anschluss der Kundgebung setzte sich ein Demozug in Bewegung, der zum Auswärtigen Amt am Werderschen Markt führte. Die Wahl dieses Ortes hatte historische wie aktuelle Gründe.

In Vorbereitung durch das Außenministerium des kaiserlichen Deutschland fand vor 140 Jahren unter der Leitung des Reichskanzlers Otto von Bismarck die Kongokonfernez statt, in der die Aufteilung Afrikas beschlossen wurde. Über dieses Kapitel auch des deutschen Imperialismus heißt es in einem Beitrag der „Deutschen Welle“ („Als in Berlin Afrikas Schicksal beschlossen wurde“):

„Fünf Meter hoch war die Wandkarte, die den Tagungsort im Berliner Reichskanzlerpalais beherrschte. Ein Abbild des afrikanischen Kontinents, klar umrissen, Flüsse, Seen, einige Ortsnamen – und viele weiße Flecken. Vertreter von 13 europäischen Staaten sowie der USA und des Osmanischen Reiches waren der Einladung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck nach Berlin gefolgt. Es ging darum, die „Handelsfreiheit“ im Einzugsgebiet der Flüsse Kongo und Niger zu regeln – was nichts anderes bedeutete, als Afrika mithilfe des Völkerrechts in Beschlag zu nehmen. Als die Konferenz am 26. Februar zu Ende ging, hatten die Teilnehmer die Grundlagen geschaffen, um den Kontinent untereinander aufzuteilen. Diejenigen, die dort lebten, wurden nicht gefragt. Afrikaner waren zu der „Kongo-Konferenz“ nicht geladen. Das Schlussdokument, die „Kongoakte“, wurde zum Fundament der Kolonialisierung. Die neuen Herren Afrikas tranchierten in den Jahren danach den Kontinent nach eigenem Gusto: Mal dienten Gebirge und Flüsse als Grenzlinien, mal waren es Längen und Breitengrade. Oder man zog die Grenzen einfach mit dem Lineal.“

Der klassische Kolonialismus ist Geschichte. Doch die ihm zugrunde liegenden Herrschaftsstrukturen haben überdauert. Sie offenbaren sich auch in der heutigen Außenpolitik Deutschlands im Nahen Osten. Dem widmete sich u.a. der folgende Redebeitrag, der vor dem Außenamt gehalten wurde und den wir mit freundlicher Genehmigung hier gerne abdrucken.

Am 6.11.2025 jährt sich der sogenannte Grüne Marsch tausender Marokkaner in die Westsahara zum 50igsten Mal. Bis heute wird der Öffentlichkeit dieser Grüne Marsch als „friedliche Bewegung“ selbstverantwortlicher Siedler verkauft.
In Wahrheit aber wurde der Marsch begleitet von brutalen Bombardierungen mit Phosphor und Napalm auf die flüchtende Sahaharauis. Die Bevölkerung muss auch wegen der begangenen Greueltaten der marokkanischen Armee aus den Städten fliehen. Sie fanden Zuflucht in Lagern bei Tindouf in Algerien, wo sie bis heute leben müssen.

Ebenfalls bis heute unterdrückt das marokkanische Besatzungsregime die saharauische Bevölkerung in den besetzten Gebieten mit brutaler Gewalt. Menschen verschwinden ohne Anklage für Jahre in geheimen Gefängnissen. Journalisten werden auf offener Straße zusammengeschlagen, westlichen Journalisten, NGOs, Abgeordneten und Menschenrechtsaktivist*innen wird es verwehrt in die besetzten Gebiete zu reisen, um von dort zu berichten.

Es herrscht ein von Marokko verhängtes Nachrichtenembargo.
Und dies unter den Augen der UN Mission Minurso, die es seit 1991 in den besetzten Gebieten gibt, um ein vereinbartes Referendum durchzuführen. Was bis heute nicht geschehen ist.

Unter den Augen der UNO, der europäischer Regierungen und natürliche auch unter den Augen deutscher Konzerne wie u.a. Heidelberg Zement und Siemens, werden täglich die Menschenrechte verletzt.

Im Februar 2022, nach Beginn des Krieges in der Ukraine, reiste die damalige Außenministerin Annalena Baerbock nach Marokko. Sie wurde dort von ihrem Amtskollegen Naser Bourita begrüßt. Er versprach einen Neustart der Beziehungen zwischen Marokko und der Bundesrepublik Deutschland. Marokko hatte 2021 ihren Botschafter aus Deutschland abgezogen, nachdem deutsche Diplomaten gefordert hatten, dass Marokko sich an den UN-Friedensprozess für die Westsahara halten möge.

In einer gemeinsamen Erklärung nach Abschluss der Gespräche konnte man nun lesen, dass „Deutschland den 2007 vorgestellten Autonomieplan als ernsthafte und glaubwürdige Bemühung Marokkos und eine Grundlage, um zu einer Einigung beider Seiten zu kommen“.

Auch der derzeitige Verteidigungsminister Wadepfuhl möchte die von Annalena Baerbock eingeleitete Diplomatische Annäherung weiter fortsetzen. Zu diesem Zwecke telefonierte er im Juli 2025 mit seinem Amtskollegen Bourita. Sie besprachen dabei, dass sie ihre Zusammenarbeit in Bereichen wie Wirtschaft, Energie, Beschäftigung und Migration weiter fortsetzen. Dabei ist ihnen der Bereich Energie, Erzeugungspotential für grünen Wasserstoff für die sog. Energiewende, besonders wichtig.

Aktuell ist die Firma NORDEX, mit Sitz in Hamburg, einer der weltweit größten Hersteller von Windturbinen dort involviert. Diese Investitionen gilt es für die Bundesregierung natürlich zu schützen. Auch bei der Zusammenarbeit von Bekämpfung von Migration spielt Marokko für die Europäer, auch für Deutschland, eine wichtige Rolle. Solange die Europäer und auch Deutschland Marokkos Politik gegen die Westsahara unterstützen, sorgt Marokko dafür, dass die Flüchtlinge in Afrika bleiben. Der Preis für diese Politik sind die Menschen in der besetzten Westsahara und in den Lagern in Algerien.

Da wundert es nicht mehr, dass auf Nachfrage der damaligen Abgeordneten der Linken, Sevim Dagdelen die Bundesregierung 2022 angeblich keine Kenntnisse darüber hatte, ob die völkerrechtswidrige Besetzung der Westsahara nur durch Androhung bzw. Anwendung von Gewalt aufrechterhalten wird.

Die deutsche Bundesregierung verschließt ihre Augen bis heute und bleibt stumm angesichts von unrechtmäßiger Ausbeutung der Ressourcen, Enteignungen und systematischer Repression. Sie protestiert nicht, wenn Abgeordnete, Journalist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen in die Einreise in die besetzte Westsahara verwehrt wird. Sie schweigt, wenn Marokko permanent gegen das Urteil des EugH vom Oktober 2024 verstößt und die Westsahara kontinuierlich ausbeutet. Sie schweigt wenn Menschen in Knästen verschwinden, sie schweigt gegen die systematische Unterdrückung, der anhaltenden Folter und Verweigerung medizinischer Versorgung in den Knästen, die von UN Gremien als Folter verurteilt werden. Sie begibt sich mit all dem in direkte Komplizenschaft mit dem marokkanischen Regime.
Wir stehen heute hier um das Auswärtige Amt ihrer Komplizenschaft anzuklagen. Sie wissen ganz genau, was in der Westsahara täglich passiert. Die Marokkanische Regierung ignoriert systematisch die Beschlüsse der UNO. Wer dazu schweigt, macht sich mitschuldig an Ausbeutung, Folter und Unterdrückung.

Wir nehmen dieses Schweigen nicht mehr hin. Wir stehen heute hier und an anderen Tagen an anderer Stelle.
Wir sagen klar, die Saharauis haben das Recht auf Selbstbestimmung. Wir sagen dies hier und heute und morgen an einem anderen Ort.

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