Wenn man einmal unsere zeitgewendeten Mainstreammedien verlässt und sich nach anderen – gerade auch englischsprachigen – Quellen umsieht, lässt sich so manche Entdeckung machen. Während hier zu Lande ein drohender Angriff Russlands auf europäische NATO-Staaten, der zwar nicht beweisbar aber wie eine sichere Tatsache behandelt wird, herbeiphantasiert wird – er käme einem staatlichen Suizidversuch Russlands gleich – wird presseöffentlich in einer Konferenz der US-Streikräfte in Wiesbaden über die Ausschaltung der strategischen Basis Kaliningrad diskutiert, was doch – so kann man es der Defence News entnehmen -, ein sehr reizvolles wie einfach zu realisierendes Szario wäre. Der Autor geht dieser Sache nach. (Jochen Gester)
Von Florian Rötzer
Bild: General Christopher Donahue, Kommandeur der US Army Europe and Africa, bei seinem Eröffnungsvortrag für die Rüstungskonferenz. Quelle: dod.gov
US-Präsident Trump, derzeit wegen Epstein in Nöten, hat die US-Außenpolitik umorientiert, zumindest rhetorisch. Während Biden angeblich Demokratie und Freiheit in der Ukraine verteidigen und Russland damit schwächen wollte, ist Trump der europäische Konflikt Anlass, als Waffenhändler aufzutreten. Die Europäer sollen die Waffen in den USA kaufen, um sie der Ukraine zu übergeben.
Da geht es um viele Milliarden, alleine die Patriot-Batterien, die nun die Ukraine erhalten sollen, kosten jeweils eine Milliarde US-Dollar, die Abwehrraketen pro Stück 3-4 Millionen. Die Preise dürften in die Höhe gehen, weil die teuren Rüstungsgüter knapp sind. Lockheed Martin kann bislang jährlich 12 Systeme und 550 PAC-3 MSE-Abfangraketen herstellen. Die deutsche Regierung geht dabei voran, im Verein mit Großbritannien, den Niederlanden und den nordischen Ländern, Ungarn, die Tschechien, Frankreich und Italien wollen aber den USA keine Waffen für die Ukraine abkaufen.
Auch wenn Trump die Ukraine nicht mehr direkt militärisch unterstützen will und es noch nicht klar ist, ob und wie viele der in Europa, vor allem in Deutschland, stationierten Truppen abgezogen werden, entwickeln die US Army mit den europäischen Nato-Verbündeten Überfallspläne auf die russische Enklave Kaliningrad, während nach außen von Regierungen und „Experten“ beschworen wird, Russland habe vor, durch kleinere Angriffe etwa im Baltikum die Nato zu testen.
Auf der LandEuro-Konferenz der US Army in Wiesbaden erläuterte der General Christopher Donahue, Kommandeur der US Army Europe and Africa den neuen Plan der „Abschreckungsstrategie an der Ostflanke“. Zweck der Konferenz war es, „globale Verteidigungsstrategien zu erörtern und abzustimmen und dabei den Schwerpunkt auf Zusammenarbeit, Innovation und Bereitschaft zur wirksamen Reaktion auf komplexe internationale Bedrohungen zu legen“. Wichtig war vor allem die Zusammenarbeit mit der Rüstungsindustrie und die Herausstellung technischer Innovationen, um nach der Erhöhung der Militärausgaben auf 5 Prozent vom BIP auch mehr zu investieren. Klar war, wo der Feind sitzt: „Wir sind dabei, die Abschreckung wiederherzustellen, um Russlands anhaltender Aggression in der Ukraine durch Transformation und Innovation zu begegnen, wobei die U.S. Army Europe and Africa als entscheidendes Testgelände für die künftige Kriegsführung dient“, sagte Donahue im Vorfeld.
Donahue geht es als Vertreter der US Army in Europa um die Stärkung der landgestützten Streitkräfte. Schnell müssten für die Industrie und die Streikräfte standardisierte, datengestützte Systeme, gemeinsame Abschusssysteme und Cloud-gestützte Koordination entwickelt werden. Man konzentriere sich mit den Anforderungen auf die baltischen Staaten. Im Militärsprech von Donahue: „Wir wissen, was wir zu entwickeln haben, und der Anwendungsfall, den wir verwenden, ist, dass man vom Boden aus (abwehren) muss. Die Landdomäne verliert nicht an Bedeutung, sie wird immer wichtiger. Man kann jetzt A2AD-Blasen (Anti-Access, Aerial-Denial) vom Land aus ausschalten. Man kann jetzt die Meere vom Land aus erobern. All diese Dinge beobachten wir in der Ukraine.“
Der General kam nicht von ungefähr auf Kaliningrad zu sprechen, dem verwundbarsten Teil Russlands. Ebenso wie die Nato die Angst schürt, dass russische Truppen in einen baltischen Staat einmarschieren oder die Suwalki-Lücke besetzen könnten, um das Baltikum vom Rest der Nato zu trennen, gibt es in Russland die Angst, dass die Nato Kaliningrad isolieren oder besetzen könnte.
Donahue sagte, Kaliningrad sei etwa 75 km breit und von allen Seiten von der Nato umgeben. Die Nato sei dazu imstande, es schneller als bislang möglich einzunehmen. Es gebe keinen Grund, warum man die russische A2AD-Blase um Kaliningrad nicht vom Land in einem bislang unbekannten Zeitrahmen aus zerstören kann: „Wir haben das bereits geplant und entwickelt. Das Massen- und Impulsproblem, das Russland für uns darstellt … wir haben die Fähigkeit entwickelt, um sicherzustellen, dass wir dieses Massen- und Impulsproblem mit 22 Divisionen stoppen können.“ Und dann müssten „natürlich alle von uns sicherstellen, dass wir die offensive Kapazität besitzen.“
Man habe das alles mit den europäischen Partnern entwickelt, man wisse alles, was man braucht: „Die Daten, unbemannte Systeme, Brigaden und alles weitere.“ Für den gemeinsamen ZUgriff habe sich die Nato bereits auf Palantirs Maven Smart System geeinigt. Man könne der Industrie ganz genau sagen, was gebraucht wird. Ganz entscheidend sei, dass alles interoperabel sei. Notwendig sei ein gemeinsames offensives und defensives Abschusssystem für die Luftabwehr und weitreichende Flugkörper mit einem gemeinsamen Betriebssystem, vor allem müsse jedes Waffensystem und jede Munition, mit denen man auf einen Feind schießt, billiger als das sein, was man abschießt.
Erstveröffentlicht im Overton Magazin v. 18.7. 2025
https://overton-magazin.de/top-story/nato-hat-kaliningrad-im-visier/
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