Transformation jetzt!

Trotz Trump, Putin, Xi und Merz: Die sozialökonomische Umwandlung der Erde duldet keinen Aufschub.

Von Klaus Moegling

Bildcollage: pixabay

Die Umwelt und das Klima scheinen die Verlierer der gegenwärtigen Politikentwicklung zu sein – und damit auch die kommenden Generationen.

Der wiedergewählte US-Präsident Donald Trump vollzieht erneut den Ausstieg aus den Pariser Klimaverträgen von 2015. Der Kreml-Chef Wladimir Putin liefert mehr denn je russisches Gas und Öl in die Welt, vor allem zu verbilligten Preisen nach Indien und China. Auch Präsident Xis Versprechen, bis 2060 Klimaneutralität zu erreichen, ist mit Vorsicht zu genießen: China, das etwa 25 Prozent der weltweiten Treibhausgase ausstößt, ist führend im Bereich der erneuerbaren Energien, deckt aber immer noch zwei Drittel seines Strombedarfs durch die Energieerzeugung aus Kohle.

Derweil kündigt in Deutschland der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz unter anderem an, das Heizungsgesetz zu kassieren, das eine Grundlage für die Förderung von ökologisch verträglichen Wärmepumpen ist. Alice Weidel hetzt ihrerseits auf dem jüngsten Parteitag der AfD gegen die Windkraft und fordert unter dem jubelnden Applaus der AfD-Delegierten den Abriss aller Windräder in Deutschland.

All dies geschieht vor dem Hintergrund einer immer bedrohlicheren klimatischen Lage, die auch jüngst im Klimabericht des internationalen Forschungsinstituts Copernicus in Zahlen gefasst wurde: 2024 war ein Jahr der Negativ-Rekorde. Erstmals lag die globale Durchschnittstemperatur 1,54 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Jeder Monat von Januar bis Juni war wärmer als in jeglichem Jahr zuvor. Am 22. Juli erreichte die globale Durchschnittstemperatur des Tages den Negativrekord von 17,16 Grad. Und die letzten zehn Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Die Klimaerwärmung um 1,5 Grad müsste über einen längeren Zeitraum gemessen werden, um das gesicherte Überschreiten im Sinne der Pariser Klimavereinbarungen festzustellen zu können. Es vermehren sich aber laut Copernicus die Anzeichen, dass eine durchschnittliche globale Temperatursteigerung gegenüber 1850 bis 1900 unter 1,5 Grad, so wie es in den Pariser Verträgen gefordert wurde, kaum noch zu halten ist.

„Ein oder zwei Jahre, die 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen, bedeuten nicht, dass das Pariser Abkommen verletzt wurde. Bei der derzeitigen Erwärmungsrate von mehr als 0,2 Grad pro Jahrzehnt ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass das 1,5 Grad -Ziel des Pariser Abkommens in den 2030er Jahren überschritten wird“, heißt es im Bericht.

Die Folgen der Klimaerwärmung sind bereits jetzt sichtbar: Die menschengemachten CO2-Emissionen verursachen maßgeblich die Erwärmung der Biosphäre und führen zu disruptiven ökologischen Veränderungen, deren Auswirkung bereits in Form von Hitze, extremen Stürmen, sich ausbreitenden Bränden, Überschwemmungen und Dürren spürbar ist. Sie führt außerdem zu einer Massenflucht von Menschen aus den betroffenen Gebieten.

Das zweite Ziel war, bis zum Ende des Jahrhunderts unter zwei Grad durchschnittlicher Klimaerwärmung zu bleiben. Rechnet man aber mit einer durchschnittlichen Erwärmung pro Jahrzehnt von 0,2 Grad, wird die Klimaerwärmung eher bei drei Grad liegen. Das bedeutet, dass bis dahin bereits ökologische Kipppunkte mit verheerenden Folgen überschritten worden sein werden.

Kipppunkte und entsprechende Rückkoppelungseffekte können unter anderem im Zusammenhang mit dem Schmelzen des Meereises und dem Anstieg des Meeresspiegels, der Austrocknung der südamerikanischen Regenwälder, der Störung von Wasserzirkulation in den Ozeanen sowie des Auftauens der Permafrostböden mit der damit verbundenen Freisetzung von CO2 und Methan auftreten.

Doch der Klimawandel ist nur eine ökologische Gefahr, in der die Menschheit und die gesamte Biosphäre sich derzeit befinden: Die genetische Vielfalt sowie der Stickstoff- und Phosphorkreislauf befinden sich auch im Hochrisikobereich. In ihrem Buch „Wir sind dran“ zeigen die Autoren Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman neun ökologische Faktoren planetarer Grenzen: 1. Stratosphärischer Ozonabbau, 2. Verlust der Biodiversität und Artensterben, 3. Chemische Verschmutzung und Freisetzung neuartiger Verbindungen, 4. Klimawandel, 5. Ozeanversauerung, 6. Landnutzung, 7. Süßwasserverbrauch und der globale hydrologische Kreislauf, 8. Stickstoff und Phosphor fließen in Biosphäre und Ozeane 9. Atmosphärische Aerosolbelastung.

Hierbei muss festgestellt werden, dass diese einzelnen Faktoren nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Sie sind vernetzt und beeinflussen sich gegenseitig. Nur über eine ganzheitliche Sichtweise kann die Tragweite des bereits entstandenen ökologischen und gesellschaftlichen Schadens verstanden werden.

Doch die Vereinten Nationen betreiben eine plakative, weil sanktionsfreie Klimapolitik. Dieser Ansatz führt dazu, dass einige wichtige Nationalstaaten sogar die UN-Mindestziele ablehnen und keine nachhaltige Klimapolitik umgesetzt werden kann, – was irreversible sozial-ökologische Folgen hat.

Plakativ ist die UN-Klimapolitik, da die Vereinten Nationen sich nicht auf effektive Sanktionen für das Verfehlen von Klimaschutzzielen einigen können. Es ist daher zu befürchten, dass die Menschheit erst ernsthafte Maßnahmen zum Schutz des Klimas ergreifen wird, wenn sozialökologische Katastrophen zur Regel und für alle bedrohlich geworden sind.

Ein Bericht des Club of Rome 2024 zusammen mit dem Wuppertaler Institut verfasst („Earth for All“) macht des Weiteren deutlich: Klimagerechtigkeit wird eine bedeutende Rolle bei der notwendigen sozialökologischen Transformation spielen. Die Proteste der Gelbwesten in Frankreich, die Bauernproteste in Deutschland und die Wahlerfolge der AfD machen deutlich, dass auch in den Industrieländern Bevölkerungsschichten mitgenommen werden müssen, die sich keine Klimaschutzmaßnahmen leisten können. E-Autos, Wärmepumpen und Fotovoltaikanlagen dürfen nicht nur den Wohlhabenden überlassen werden. Aber auch ärmeren Weltregionen müsste durch eine schrittweise Anhebung des UN-Klimafonds bei der Prävention und der klimatischen Anpassung geholfen werden, – wenn eine Transformation global gelingen will.

Der Club of Rome fordert deshalb eine Abkehr von einer einseitigen Wachstumslogik hin zu einer differenzierten Sichtweise notwendiger ökonomischer Zukunftsentwicklung: „Branchen mit fossilen Risiko sowie Hochrisikotechnologien (etwa der Atomenergie) müssen schrumpfen. Grüne Zukunftsbranchen (wie erneuerbare Energien, nachhaltige Mobilität, Energie- und Ressourceneffizienz) und sozial wichtige Bereiche (wie Bildung, Gesundheit, Altenpflege oder Kultur) müssen schneller wachsen. Dieser sozialökologische Strukturwandel führt gleichzeitig zu Wachstum und zu Schrumpfungen (…).“

Doch die Politik bevorzugt einen Rückschritt in der notwendigen sozialökologischen Entwicklung. Rechtsextreme Egomanen, gestörte Narzissten aber auch Globalisierungsgewinner haben derzeit einen zu großen Einfluss auf die internationale Klimapolitik. Das Schicksal der zukünftigen Generationen scheint ihnen nicht prioritär zu sein. Es existiert bei ihnen keine Sensibilität für die Ökologie der Biosphäre und die gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Klimafolgen. Erst wenn die Klimafolgen drastisch für die Mehrheit der Staaten und deren Bevölkerungen spürbar sein werden, wird wohl endlich versucht werden, die eingetretene Klimakatastrophe mit einem größeren Einsatz an Finanzmitteln und Ressourcen einzudämmen. Dann kann es allerdings zu spät sein. Die meisten der heutigen Entscheider werden dann wohl nicht mehr leben.

Klaus Moegling, Politikwissenschaftler, engagiert sich in der Friedens- und Umweltbewegung. Er ist Autor des Buches „Neuordnung. Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (noch) möglich“.

Erstveröffentlicht in der FR v. 4.2. 2025
https://www.fr.de/politik/transformation-jetzt-93553489.html

Wir danken für das Publikationsrecht.

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