Ohne Witz: Nato erhält Friedenspreis

Von Florian Rötzer

Bild : Pressefoto der NATO. Der Generalsekretär Rutte im Anflug an die Volkel Air Base, Stationierungsort für Atomwaffen im Rahmen der sog. „nukleraren Beteiligung“, die nicht natürlich völkerrechtlich völlig illegal ist.

Ich muss gestehen, bislang habe ich den von der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Lippe und Westfalen (WWL) seit 1998 anlässlich des 350. Jahrestages des Westfälischen Friedensschlusses alle zwei Jahre verliehenen „Internationalen Preis des Westfälischen Friedens“ nicht wahrgenommen. Ausgezeichnet wird damit „besonderes Engagement für nachhaltigen Frieden und internationale Verständigung“. Dotiert ist der Preis mit 100.000 Euro. Und dieses Jahr erhält ihn die Nato, vertreten durch ihren Generalsekretär Mark Rutte.

Warum sollte ein Militärbündnis, das sich zwar als Verteidigungsbündnis darstellt, das aber durchaus Angriffskriege geführt hat, dessen Mitglieder sich an Kriegen beteiligt haben, das aktuell eine Kriegspartei mit Waffen und anderem unterstützt und sich massiv aufrüstet, einen Friedenspreis erhalten? Mit der Nato wird auch gleich den Vereinigten Staaten der Friedenspreis gewidmet, die ihr Verteidigungsministerium angemessen in Kriegsministerium umgetauft haben, gerade eine Armada vor Venezuela und Kolumbien aufbieten oder den Iran bombardieren. Betont wird denn auch auch die „transatlantische Zusammenarbeit“. Von der Türkei brauchen wir gar nicht reden, die die Opposition unterdrückt und Teile Syriens okkupiert. Selbst wenn man der Meinung ist, dass ein Militärbündnis durch Abschreckung und Bedrohung das Ausbrechen eines Kriegs verhindert oder sich auch in der Ukraine, am Hindukusch oder vor China verteidigt, ist das kaum als aktiver Einsatz für die Herstellung und Bewahrung von Frieden zu sehen.

Die Entscheidung der Wirtschaftlichen Gesellschaft erinnert an die des Friedensnobelpreiskomitees, das mit Machado, die eine militärische Intervention der USA in Venezuela fordert und die auf Verdacht hin erfolgte Ermordung von Bootsbesatzungen billigt, weil damit angeblich Leben gerettet wird. Und sie erinnert auch daran, dass uns seit Jahren eingeredet wird, dass nur „Stärke“ zu Frieden führt oder dass Waffen Menschenleben retten. Neuer Dreh der Wirtschaftlichen Gesellschaft ist der Slogan: „Frieden durch Zusammenhalt oder Stabilität“, gemeint ist militärischer Zusammenhalt und Frieden durch Bedrohung/Abschreckung.

„Die NATO“, sagt WWL-Vorsitzender Reinhard Zinkann, „steht seit mehr als sieben Jahrzehnten als Bündnis für eine regelbasierte Sicherheitsarchitektur, die Konflikte eindämmt, Eskalation vorbeugt und Zusammenarbeit stärkt.“ Man würdige „eine Institution, die in einer Zeit globaler Unsicherheit Verlässlichkeit schafft, Partnerschaft fördert und Frieden durch Stabilität ermöglicht“.

Als Beispiel wird die „verantwortungsvolle Unterstützung“ der Ukraine genannt – „ohne selbst Konfliktpartei zu werden“, was aber bestenfalls juristisch so sein mag, aber nicht faktisch. Oder die Friedensmission KFOR im Kosovo, wobei man vergisst, dass der ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg der Nato auf Serbien vorausging und der Kosovo unter Verletzung der serbischen Souveränität ohne Referendum der Bevölkerung als unabhängig erklärt wurde. Nicht einmal alle EU- und Nato-Mitgliedsstaaten erkennen den Kosovo als unabhängigen Staat an. Auch die Ukraine macht dies nicht. Und dann wird noch die Stabilität durch die Nato-Erweiterung um Finnland und Schweden genannt, selbstverständlich ohne zu erwähnen, dass die Osterweiterung der Nato mit einen Beitrag zum Krieg in der Ukraine geleistet hat. Schön ist auch die Formulierung: „Resilienz als Friedensbasis: Durch Mindeststandards zur Krisenfestigkeit stärkt die NATO die Stabilität der Mitgliedsstaaten und damit die Friedensfähigkeit Europas.“ Das heißt, Aufrüstungsvorschriften stärken den Frieden. Wenn das auch noch die Stabilität der Staaten stärken soll, kann man das auch so verstehen, dass ein starkes Militär Unruhen im Land verhindert.

Wenn man sich ansieht, wer in der Jury des „Friedenspreises“ sitzt, wundert sich über die Orwellschen Begründungen nicht mehr. Es geht um die Durchsetzung und Auszeichnung der Regierungs- und Nato-Politik. In der Jury u.a. mit Sigmar Gabriel, Alexander Graf Lambsdorff, Jean-Claude Juncker, Friedrich Merz, Cem Özdemir, Georg Friedrich Prinz von Preußen oder Frank-Walter Steinmeier findet sich niemand, den man irgendwie mit Friedenspolitik in Verbindung bringen könnte.

Bei der Farce spielen auch staatstreue Medienvertreter mit. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlicht so einen Kommentar von Christoph Koopmann unter dem Titel „Paradox, aber richtig“.  Militärische Stärke und Friedenssicherung würden sich gegenseitig bedingen, heißt es da zur Bestätigung, was auch die Devise von Gangs, Milizen und autoritären Staaten wie Nordkorea sein könnte. Natürlich muss da Putin „mit seinem Hass auf alles Freiheitliche“ herhalten. Gegen dessen „Großmachtstreben“ wirke die Abschreckung der Nato, Letzteres könnte man genauso umgekehrt sehen. Bei der Friedensfeier stört auch Trump nicht. Der Preis soll daran erinnern, dass die Nato nicht nur eine „Waffenbruderschaft“ ist, sondern von Staaten gegründet wurde, „denen etwas an Freiheit und Demokratie“ liegt. Das liegt nicht nur in den USA oder in der Türkei im Argen. Man hätte auch einmal daran erinnern können, was die Einsätze der Nato oder einzelner Nato-Staaten im Iran, in Syrien, in Afghanistan, in Serbien, in Libyen etc. hinterlassen haben. Stabilität und Frieden eher nicht.

Erstveröffentlichung im Overton Magazin v. 7.11. 2025
https://overton-magazin.de/top-story/ohne-witz-nato-erhaelt-friedenspreis/

Wir danken für das Publikationsrecht.

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