Linkspartei sucht Basis – sucht die Klasse diese Partei?

Von Klaus Dallmer

20.5.2025

Bild: Untergrundblättle

Die Einheit von Klasse und Partei wäre nicht ganz neu: In den 70er, 80er Jahren des 19. Jahrhunderts hatte sich die deutsche Arbeiterbewegung in aufopferungsvollen Kämpfen Gewerkschaften geschaffen – und die politische Organisation, die Sozialdemokratie, die die Bewegung verbreiterte und die Perspektive formulierte: Die Abschaffung der kapitalistischen Ausbeuterordnung und ihre Ersetzung durch den Sozialismus.

Bereits dreißig Jahre später hatte die Integrationskraft des Kapitalismus Gewerkschaften und SPD auf den imperialistischen Kriegskurs gebracht. Der Rest ist bekannt. Heute ist eine Abwendung der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften von ihrer klebrigen Bindung an ihren Sozialpartner völlig undenkbar geworden, auch wenn dieser auf Rüstungs-, Militarisierungs- und Kriegskurs geht. Im Gegenteil – sie geben dabei auch noch den Vorturner.

Die kommunistischen Restbestände sind durch Vernichtung, Wohlstandsentwicklung und Zusammenbruch des Ostblocks dezimiert und marginalisiert.
So steht die Klasse nun allein da, wenn sie aus der sozialpartnerschaftlichen Falle ausbrechen will.

Aber es gibt ja die Linkspartei, die sich als einzige linke Opposition gerade großen Zulaufs erfreut. Sie möchte zur Klassenpartei werden und stellt soziale Fragen wieder in den Vordergrund, die andere Parteien dann teilweise aufgreifen müssen. Ihre parlamentarischen Anfragen zerren die Wahrheit ans Licht, auch wenn die Medien der herrschenden Klasse deren Verbreitung behindern. Ihre Gewerkschaftskonferenzen schaffen Verbindungen und Informationsaustausch. Sogar von Sozialismus ist wieder die Rede, und manche Redner, sogar aus einem Gewerkschaftsvorstand, schmücken schöne sozialistische Zukunftsbilder aus. Will man mehr, und wenn ja, was?

Die Arbeiterklasse sieht sich einer verschärften Überproduktionskrise gegenüber, überall werden tausende von Arbeitsplätzen abgebaut, damit die Ausschüttungen an die Aktionäre reibungslos weitergehen. Die Belegschaften werden im Produktivitätswettbewerb gegeneinandergehetzt. Die Tarifabschlüsse bringen bereits teilweise Verschlechterungen, auch weil die Kampfkraft nicht ausgereizt wird. Unverschämte Herrschaften stellen öffentlich soziale Errungenschaften in Frage. Die systemnotwendige Profiterzeugung stockt und sucht sich den staatlich garantierten Absatz der Rüstungsindustrie als Ausweg. Die Hunderte von Milliarden für die Rüstung dienen auch als Ersatz für die bisher so einträgliche Arbeitsteilung mit den USA: Die EU dehnte ihren Wirtschaftsraum aus und die NATO sicherte ihn militärisch ab. Diese Arbeitsteilung ist in der Ukraine an ihre Grenze gestoßen, und die USA spielen künftig nicht mehr mit. Als nächstes steht Georgien auf dem Speiseplan, und nun muss die EU Russland allein unter Druck setzen und selbst Regimechanges organisieren. Die Zeche für die Milliardenkredite wird der Arbeiterklasse aufgebürdet, und sie ist es auch, die bei der mutwillig herbeigeführten Kriegsgefahr später wird Köpfe und Körper hinhalten müssen. Und die ganze Gesellschaft wird mit dem Märchen von der russischen Bedrohung ideologisch und materiell auf den Krieg vorbereitet, so wie es vor dem Ersten Weltkrieg der Fall war.

Noch ist es nicht so weit, dass die VW-Belegschaften streiken und geschlossen die Fordwerke besuchen, oder die Werke von Opel, Daimler, BMW und Audi. Noch nehmen die Beschäftigten aller Branchen den massenhaften Stellenabbau und die gleichzeitige Ausschüttung märchenhafter Dividenden an die oberen Zehntausend hin. Noch wird Arbeit in der Rüstungsindustrie, der Tanz auf der Bombe, als sicherer Hafen gesehen. Aber das geht nicht ewig so weiter.

Welche Art politischer Organisation braucht die Arbeiterklasse in einer solchen Situation? Halbgare reformistische Parolen wie „Preise runter“, „sozialer Wohnungsbau“, „Besteuerung der Reichen“ etc. können erste Mobilisierungen einleiten, werden aber nicht mehr ernst genommen, weil sie im Rahmen der Marktwirtschaft verbleiben, weil sie nur in – unrealistischen – Koalitionen umsetzbar wären und keine Perspektive bieten. Offensichtlich notwendig ist die Orientierung auf Enteignung und Übernahme der Großbetriebe in einen kollektiven Fonds mit gesellschaftlicher Steuerung einer sinnvoller Produktion durch die Belegschaften, damit wieder Massen eine Perspektive sehen, für die es sich einzusetzen lohnt. So kann eine wachsende Bewegung sich eine neue sozialistische Klassenpartei schaffen. Das geschieht nicht im Parlament, und dazu werden nur Teile der Linkspartei einen Beitrag leisten können – und das auch nur unter dem außerparlamentarischen Druck einer erstarkenden Arbeiterbewegung.

Wenn man aber sieht, wie die LINKE jetzt wieder hineinschliddert in die Sucht, von parlamentarischen Partnern ernstgenommen zu werden, und in künftige Koalitionen kriechen möchte, kann man zweifeln, ob die Partei einen nützlichen Beitrag wird leisten können. Zudem ist die Anpassung an die Gedanken der Herrschenden und deren Weiterverbreitung weit fortgeschritten, sei es im Israelfetischismus, der sich in Repression gegen palästinasolidarische Parteimitglieder äußert, sei es im unangefochtenen Wirken von Mitgliedern, die die Ausdehnung des westeuropäischen, des deutschen Imperialismus für „Freiheit“ halten und den Waffenlieferungen an die ukrainischen Nationalisten das Wort reden. Man möchte vor der noblen Welt nicht als Paria dastehen, und so werden hier Positionen des Klassengegners bezogen – die Erkenntnis „der Hauptfeind steht im eigenen Land“ ist Lichtjahre entfernt.
Erst eine erstarkende Arbeiterbewegung wird somit der Prüfstein sein, ob Teile der Linkspartei sich entwickeln können und für die kollektive Kraftentfaltung zu gebrauchen – oder eher hinderlich sind.

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