Die Springer-Zeitung Die Welt kündigt für ihren „Wirtschaftsgipfel“ Alice Weidel (AfD) und die Zuschaltung von Elon Musk an. Musk fordert Deregulierung der Tech-Märkte auch in der EU und zielt auf transatlantische Einbindung der AfD.
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Bild: „Springerfamily“. Wikimedia
BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Der Tech-Milliardär, Trump-Berater und AfD-Unterstützer Elon Musk wird in Kürze per Schaltkonferenz an einem „Wirtschaftsgipfel“ der Springer-Zeitung Die Welt teilnehmen. Dies kündigt die Axel Springer SE an. Als Gast wird auf der Veranstaltung am 28. Januar neben Bundeskanzler Olaf Scholz und den Chefs diverser DAX-Konzerne auch AfD-Bundessprecherin Alice Weidel erwartet. Die Springer-Zeitung Welt am Sonntag hatte erst vor kurzem Musk Raum geboten, für die AfD zu werben. Musk gehört zu derjenigen Fraktion der US-Tech-Milliardäre aus dem Silicon Valley, die im US-Wahlkampf nicht, wie meist zuvor, für die Demokraten, sondern für Trump geworben hatten. Ursache war das Interesse, die weiten Felder der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Kryptowährungen zu deregulieren. Dort werden in den nächsten Jahren die maßgeblichen Milliardenprofite erwartet. Das Interesse an einer Deregulierung des Tech-Marktes in Europa entgegen den Vorstellungen des traditionellen Establishments ist eins der Motive, das Musk zur Unterstützung der AfD treibt. Zudem geht es darum, die maßgebliche Partei der extremen Rechten in Deutschland transatlantisch einzubinden.
Das Interesse an Deregulierung
Elon Musk ist bei weitem nicht der einzige Tech-Milliardär aus dem Silicon Valley, der einst die US-Demokraten unterstützte, im jüngsten Wahlkampf aber auf die Seite der Republikaner wechselte und Donald Trumps Kampagne mitfinanzierte. Weitere Beispiele sind der Paypal-Mitgründer David Sacks sowie die Risikokapitalgeber Cameron und Tyler Winklevoss, die 2015 die Kryptobörse Gemini gründeten. Hinzu kommt der traditionell rechtsstehende Flügel des Silicon Valley etwa um den Paypal-Mitgründer Peter Thiel. Die Interessen, die Musk, Sacks und weitere zu ihrem Kurswechsel motivierten, hat im November Reid Hoffman in der Financial Times beschrieben. Hoffman selbst unterstützte im Wahlkampf Kamala Harris. Wie er berichtet, sei es seinen Milliardärskollegen vor allem darum gegangen, die weiten Felder der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Kryptobranche zu deregulieren, um nicht nur die Profite zu maximieren, sondern sich auch gegen die Konkurrenz insbesondere aus China zu behaupten.[1] Deregulierung wünschten sie außerdem für die Energiebranche, und zwar, weil KI-Datenzentren so viel Energie verschlingen, dass einige US-Tech-Konzerne inzwischen Atomkraftwerke bauen, um ihren Strombedarf zu decken.[2] Deregulierung jedoch hätten sie sich eher von Trump als von Kamala Harris erhofft, berichtet Hoffman.
„Der letzte Funke Hoffnung“
In den Vereinigten Staaten scheinen die Pläne von Musk, Sacks und weiteren Tech-Milliardären aus dem Silicon Valley aufzugehen. Musk wird gemeinsam mit dem Biotech-Milliardär Vivek Ramaswamy künftig das Department of Government Efficiency (DOGE) leiten, einen neuen Apparat mit offiziell beratender Funktion, der Streichungen bei Personal und Haushalt staatlicher Stellen sowie bei staatlichen Normen und Regelwerken initiieren soll. Prinzipiell entspräche eine umfassende Deregulierung nicht bloß der KI, sondern der gesamten Tech-Branche auch in Europa den Interessen der US-Tech-Milliardäre. Musk und andere tragen schon seit Jahren Konflikte vor allem mit EU-Stellen aus, die den Aktivitäten der US-Internetriesen gewisse Zügel anlegen wollen. Dringen sie mit ihren Wünschen bei den traditionellen Eliten der EU bislang noch nicht im erhofften Ausmaß durch, so setzt Musk nun auf politische Kräfte jenseits des alten Establishments, von denen er sich größere Bereitschaft zu einem Kurswechsel erhofft. Über die AfD etwa schrieb Musk zu Jahresende 2024 in einem Beitrag für das Springer-Blatt Welt am Sonntag, die Partei sei zum „Abbau staatlicher Überregulierung“ und zur „Deregulierung des Marktes“ bereit. Sie sei „der letzte Funke Hoffnung für dieses Land“.[3]
Der transatlantische Markt
Musk hat – zumindest zeitweise – für seine Pläne einen Kooperationspartner im Axel Springer-Verlag respektive in dessen Vorstandsvorsitzendem Mathias Döpfner gefunden. Springer strukturiert sich gegenwärtig um, hat das Geschäft mit Kleinanzeigen und mit Immobilien abgestoßen und will nun jenseits seines deutschen Heimatmarkts (Bild, Welt) in den USA stärker wachsen, wo ihm bereits die Onlinemagazine Politico und Business Insider gehören. Döpfner wird nachgesagt, einst enge Beziehungen zum damaligen US-Botschafter Richard Grenell (2018 bis 2020) unterhalten zu haben; um Kontakt zu Musk ist er spätestens seit 2020 bemüht, als dieser den Axel Springer Award erhielt. Ein guter Draht zur Trump-Administration wäre für die angestrebte Konzernexpansion in den USA nicht nur vorteilhaft, sondern vielleicht sogar nötig. Am 28. Dezember 2024 erschien in der Welt am Sonntag – Berichten zufolge auf Döpfners expliziten Wunsch – der erwähnte Beitrag von Musk, in dem dieser die AfD ausdrücklich lobte.[4] Döpfner hat inzwischen auf massive Kritik an dem Beitrag reagiert, indem er sich von der AfD formell abgrenzte („Wut-Politiker am … rechten Rand“), zugleich aber ankündigte, „weiterhin entschieden die Räume des Sagbaren [zu] öffnen“.[5] Dabei warnte er düster vor einem „Donnerschlag“.
Der Preis der Entdämonisierung
Zu ökonomischen Interessen kommen schließlich noch politische hinzu. In der AfD gibt es eine starke Strömung, die auf eine Annäherung an Russland setzt. Sie „fremdelt“, so hat es zu Jahresende Götz Kubitschek, einer der Vordenker der extremen Rechten in Deutschland, formuliert, „mit dem Westen, der transatlantischen Bevormundung, der Nato und der populär-ordinären Kulturhoheit des Hegemons“.[6] Musk sei sich bewusst, urteilt Kubitschek, „daß er mit seiner stimmungsverändernden Unterstützung“ für die AfD „jene Teile“ der Partei stärkt, „die seine Agenda teilen“: „Er bindet die Partei … enger an die USA“. Denn „als Eindruck und handfestes Plus“ werde sich bei ihr „festsetzen: Entlastung“ – handfeste Unterstützung wie der erwähnte Zeitungsbeitrag von Musk – komme, „wenn überhaupt von irgendwoher“, dann „aus den Vereinigten Staaten“. Musk biete der AfD „Entdämonisierung“: „Angesichts der Normalisierungshoffnung tritt die Sorge über eine transatlantische Anbindung der AfD in den Hintergrund.“ Stimmen hingegen, „die auf das destruktive Potential und Verhalten der USA hinweisen“ oder die „romantisierend oder realpolitisch an einer Annäherung mit Rußland arbeiten“, dürften künftig „weniger Gehör finden“. Musks Plädoyer für die AfD ist damit Teil einer transatlantischen Einbindung eines Teils der deutschen extremen Rechten.
Impulse für die Zukunft
Ungeachtet der vorsichtigen Distanzierung gegenüber der AfD, die Döpfner vorgenommen hat, arbeitet die Axel Springer SE weiterhin an der Einbindung der Partei. So werden auf dem diesjährigen „Wirtschaftsgipfel“ der Springer-Zeitung Die Welt, der am 28. Januar stattfindet, nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz, die Kanzlerkandidaten der CDU, Friedrich Merz, sowie der Grünen, Robert Habeck, und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner erwartet, sondern auch BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht und AfD-Bundessprecherin Alice Weidel. Dass die Springer SE nicht einfach plant, alle im Bundestag vertretenen Parteien einzuladen, zeigt die Tatsache, dass Die Linke nicht vertreten sein wird. Zur Teilnahme von Weidel ist bei Springer zu erfahren, „im vergangenen Jahr“ habe man auf dem „Wirtschaftsgipfel“ „darüber abgestimmt“, ob man künftig auch Repräsentanten der AfD einladen solle: „Dafür gab es eine breite Mehrheit.“[7] Außer Weidel werde AfD-Unterstützer Musk „in einer Schaltkonferenz … Rede und Antwort“ stehen, teilt die Axel Springer SE weiter mit. Angekündigt sind darüber hinaus die Chefs einer ganzen Reihe von DAX-Konzernen, darunter diejenigen der Allianz, der Deutschen Bank und der Commerzbank, von Siemens, E.ON und RWE, von BMW, Porsche und Rheinmetall. Im Hinblick auf die Bundestagswahl biete das Treffen, heißt es bei Springer, „eine einzigartige Gelegenheit, Impulse für die Zukunft zu setzen“.
[1] Reid Hoffman: What Trump means for Silicon Valley. ft.com 22.11.2024.
[2] Marc Levy, Matt O’Brien: The AI boom may give Three Mile Island a new life supplying power to Microsoft’s data centers. apnews.com 20.09.2024.
[3], [4] S. dazu Ein Oligarch für die AfD.
[5] Mathias Döpfner: Vor dem Donnerschlag? welt.de 14.01.2025.
[6] Götz Kubitschek: Was Elon Musks Wahlkampfhilfe für die AfD bedeutet. sezession.de 31.12.2024.
[7] Vor der Bundestagswahl: Politiker und Wirtschafts-Lenker treffen sich zum Dialog beim 16. WELT-Wirtschaftsgipfel. axelspringer.com 15.01.2025.
Erstveröffentlicht auf GFP v. 16.1. 2025
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9826
Wir danken für das Publikationsrecht.