Deutsche Mainstreammedien und Politiker machen Werbung für Musk und AfD

Von Florian Rötzer

Bild: Screenshot von Musks X-Account.

Es ist schon seltsam. Elon Musk hat seine Ankündigung wahr gemacht und mit der AfD-Kanzlerkandidatin auf Englisch gesprochen. Zuerst gab es nur eine Audioversion unter dem irreführenden Titel „Gespräch mit der führenden Kandidatin, um Deutschland zu reagieren“, später auch ein Video.

Über 850.000 Menschen sollen auf X wie auch immer am Freitagabend zugehört haben, am Freitag waren es schon über 4 Millionen auf dem Account von Musk, bei Weidel 700.000. Musk hat nach den Angaben von X über 200 Millionen Follower, Weidel 840.000. Welchen Einfluss das Gespräch auf deutsche Wähler hat, ist natürlich schwierig zu sagen. Sonderlich groß wird er nicht sein, vielleicht schreckte auch manchen ab, was Weidel sagte oder dass sie sich von dem amerikanischen Milliardär mit eigenen Interessen, der für sie Wahlwerbung machte, vorführen ließ. Das Gespräch ist eigentlich kein Gespräch, dafür sind sich Weidel und Musk offenbar zu fremd.

Weidel konnte unwidersprochen sagen, dass Hitler Kommunist und Sozialist war, was die AfD, die ja gegen Kommunismus und Sozialismus, nicht rechtsextrem erscheinen lassen soll. Es sei die schlimmste Verfehlung nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen, Hitler als „rechts und konservativ“ zu bezeichnen, meinte Weidel. Da macht Musk, der eigentlich kaum was über Deutschland, die AfD und Weidel weiß, widerspruchslos mit, schließlich sind für den Libertären wie für Trump schon die Demokraten Kommunisten.

Wie auch immer, mit der Hilfe der Mainstreammedien und der Politiker der anderen Parteien erfuhren jedoch Weidel und die AfD schon im Vorfeld durch die Empörung eine enorme Aufmerksamkeit. Sie steigerten die Reichweite, die Musk und die AfD mit X nie hätten erzielen können. Haben die Mainstreammedien also Musk und Weidel geholfen, Wahlwerbung für die AfD zu verbreiten?

Das soll aber nach Lesart vieler deutscher Politiker und Medien umgekehrt sein. Musk soll nämlich mit dem Gespräch unbezahlt für die AfD geworben und damit für die AfD eine illegale Wahlkampfspende gemacht haben. Ein wahrlich absurdes Argument, da dann Gespräche mit Parteipolitikern  in kommerziellen Medien, aber auch in den öffentlich-rechtlichen Medien ebenfalls als Werbung und Spende gewertet werden könnten. Allein die Tagesschau hat Musk/Weidel eine enorme Beachtung und Reichweite geboten: eine sehr fragmentierte Analyse: „Gespräch ohne Widerspruch“, den Beitrag „Ein globales Netzwerk von Rechtspopulisten“ und „Die EU beobachtet – und ist gelassen“.

Im letzten Artikel heißt es: „Das Europäische Digitalgesetz, der Digital Services Act (DSA), schreibt den Plattformen vor, dafür Sorge zu tragen, dass öffentliche Diskussion und Wahlprozesse frei von Manipulation sind. Die Algorithmen dürfen einzelne Tweets – oder im konkreten Fall dieses Live-Interview – nicht künstlich verstärken.“

Da steigt auch der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck ein: „Sind die Algorithmen, die die Plattform X benutzt, so ausgerichtet, dass es einen einseitigen Vorteil für bestimmte Inhalte gibt – in diesem Fall die der AfD oder die von Elon Musk und der AfD – das ist ja im Moment schwer auseinanderzuhalten?“ Mit bislang mäßigem Erfolg hat er auch eine Petition gestartet, um ein „klares Zeichen“ zu setzen: „Finger weg von unserer Demokratie, Herr Musk!“ Der Spiegel sekundiert im aktuellen Heft mit der Coverstory.

Der Bundestag will prüfen, ob eine Wahleinmischung vorliegt. Der Stern stellt unter dem Titel „Angriff auf unsere Demokratie“ auf dem Cover des aktuellen Hefts (Artikel) Musk mit Putin gleich und demonstriert deutlich, mit Musk Aufmerksamkeit, Reichweite und Einnahmen generieren zu wollen. Als Nebeneffekt wird die Reichweite von Musk und AfD vergrößert.

Cover mit Titelstory des Stern vom 9. Januar.

In der Tagesschau vom 9. Januar war das Gespräch Musk/Weidel das zweite  und das zweitlängste Thema nach den Bränden in Los Angeles. Vier der 15 Minuten wurden dem Gespräch gewidmet: von 4:55 bis 9:09. In den Tagesthemen widmete man die die Aufmerksamkeit noch länger auf das Thema, nämlich sechs Minuten (7:17 bis 13.44) oder etwa ein Sechstel der Sendung.

Das macht kein Algorithmus, aber durch Position und Länge wird die Bedeutung des Gesprächs verstärkt – künstlich durch die Redaktion, die Werbung für es machte, anstatt es zu übergehen oder kurz zu streifen. Eine „Expertin“ verweist in der Tagesschau auch auf die Algorithmen, aber nicht auf die Redaktion, die das Gespräch mitsamt der inklusiven Werbung für die AfD so hoch platzierte.

Man kommt sich wie in einem Irrenhaus vor.

Ersztveröffentliucht im Overton Magazin v. 10.1. 2025
https://overton-magazin.de/top-story/deutsche-mainstreammedien-und-politiker-machen-werbung-fuer-musk-und-afd/

Wir danken für das Publikationsrecht.


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