Antifa als Terrororganisation oder der neue McCarthyismus

Von Florian Rötzer

Bild: Zeremonie für Kirk. Weißes Haus

Der Ankündigung von Donald Trump, die Antifa als „heimische Terrororganisation“ zu bekämpfen, folgte jetzt die Umsetzung in einem Dekret. Schon während seiner ersten Präsidentschaft hatte Trump gegen die Antifa mobilisiert, zu der er wie jetzt auch alle zählte, die gegen seine Politik sind oder sich der Bewegung Black Lives Matter anschlossen. Das Dekret jetzt zeigt, was der Jagd auf Migranten, allesamt Mörder, Kriminelle oder Verrückte, und der nach der Ermordung des „Helden“ und „Märtyrer“ Charlie Kirk angekündigte Bekämpfung der „Linken“, also mit allen, die nicht auf Maga-Linie sind, zugrundeliegt. Trumps Macht beruht darauf, vornehmlich innere Feinde als Vertreter des Bösen zu inszenieren, die angeblich die Nation der Guten bedrohen und die außer Landes geschafft, zum Schweigen gebracht oder ausgeschaltet werden müssen.

Das mündet bei der Antifa in einem gespenstischen Kampf gegen Windmühlen als den großen Feinden wie bei Don Quijote, ist allerdings deswegen hochgefährlich, weil Trump mit seiner Regierung die gesamten Machtstrukturen vom Militär über Geheimdienste, FBI und Polizei bis zu ICE ziemlich willkürlich  einsetzen kann, da er es bislang geschafft hat, den Kongress und die Justiz zu überrollen. Es gibt zwar dem Linksextremismus zugeordnete Antifa-Gruppen, die oft wegen ihrer Militanz berüchtigt sind, aber weder in den USA noch sonstwo gibt es eine zentrale Organisation, sondern nur lose verbundene Gruppen.

Die Antifa als diffusen Feind zu nehmen, dient der Absicht, breit und wahllos  gegen Oppositionelle vorgehen zu können, die man in den Dunstkreis der Antifa einordnet, selbst wenn sie nur einer diffamierten Organisation etwas spenden. Wir kriegen euch, ist die Devise. Trump hat, so berichtet die New York Times, in diesem Sinne die Behörden bereits angewiesen, gegen Reiche und Organisationen vorzugehen, die „linke Gewalt“ fördern. Trump hat schon länger die Behauptung verbreitet, dass von linker oder liberaler Seite professionelle Anarchisten finanziert und organisiert werden, die Polizisten angreifen, Eigentum zerstören und öffentliche Unruhe stiften: „Wir suchen nach den Finanziers einer Menge dieser Gruppen“, sagte Trump am Donnerstag. Reiche wie George Soros, der besonders im VIsier zu stehen scheint, würden „professionelle Anarchisten und Agitatoren einstellen.“

Ähnlich wie dies die Hetze gegen Kommunisten zur Zeit von McCarthy machte, wird von Trump die angebliche Gefährlichkeit zu einem Popanz aufgeblasen, um daraus eine terroristische Organisation zu machen, die im Inneren der USA durch organisiertes Handeln wirkt und politische Ziele mit Zwang und Einschüchterung durchsetzen will (man könnte meinen, Trump beschreibt damit das eigene Wirken und projiziert das auf den Feind). Nach dem Dekret ist die Antifa „ein militaristisches, anarchistisches Unternehmen, das ausdrücklich zum Umsturz der Regierung der Vereinigten Staaten, der Strafverfolgungsbehörden und unseres Rechtssystems aufruft.  Sie setzt illegale Mittel ein, um eine landesweite Kampagne von Gewalt und Terrorismus zu organisieren und durchzuführen, um diese Ziele zu erreichen.  Diese Kampagne umfasst koordinierte Bemühungen zur Behinderung der Durchsetzung von Bundesgesetzen durch bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Strafverfolgungsbehörden, organisierte Krawalle, gewaltsame Angriffe auf die Einwanderungs- und Zollbehörden und andere Strafverfolgungsbeamte sowie routinemäßiges ‚Doxing‘ von und andere Drohungen gegen politische Persönlichkeiten und Aktivisten.“

Verfolgt werden soll von allen Behörden jede Person, die im Namen der Antifa handelt oder von der die Antifa oder eine Person behauptet, im Namen der Antifa zu handeln oder der dieser materielle Unterstützung gewährt. Möglicherweise wird durch das Dekret erst eine terroristische Antifa geschaffen, allerdings ist das Problem, dass es in der amerikanischen Rechtsprechung im Gegensatz zum internationalen Terrorismus nicht den Tatbestand einer „heimische Terrororganisation“ gibt. Wenn Terroristen im Inland keine Verbindung zu einer ausländischen Terrorgruppe haben, müssten diese strafrechtlich wie andere Gewalttäter behandelt werden, Todesstrafe inklusive.

Schon während Trumps erster Präsidentschaft wurde diskutiert, ob „heimischer Terrorismus“ als Straftatbestand eingeführt werden sollte. Damals führte die New York Times aus, dass dies kaum einen Unterschied mache und vor allem symbolisch sei. Das ist es jetzt auch, Terrorismus klingt bedrohlicher, deswegen sollen jetzt Linksradikale der Antifa als Terroristen verfolgt werden. Aus demselben Grund wurden von Trump Drogenkartelle als „internationale Terrororganisationen“ eingestuft, womit er rechtfertigt, das Militär gegen diese einzusetzen und Kriegsschiffe vor die Küste Venezuelas zu schicken, die auch angebliche Drogenschiffe mit den Personen auf ihnen versenkt haben.

Neben dem offiziellen Vorgehen der Regierung gegen die Opposition, Organisationen Medien, Aktivisten hat Vizepräsident JD Vance, der Linksextremisten für den Mord an Kirk verantwortlich macht, dazu aufgerufen, Menschen zu denunzieren: „Wenn Sie jemanden sehen, der Charlies Ermordung feiert, sprechen Sie ihn darauf an. Und verdammt noch mal, rufen Sie seinen Arbeitgeber an.“ Wie sich herausstellt, will man so jetzt auch Ausländer überprüfen, die in die USA einreisen. Wer über Kirk für die US-Regierung Unziemliches geschrieben hat, darf nicht mehr ins Land. Das dürfte schnell auf Kritik an Trump und Maga erweitert werden. Kritik an ihm sieht Trump sowieso schon als „illgeal“ an, ist er doch der Verkünder der allein seligmachenden Wahrheit. Zuvor wurden bereits Einreiseverbote wegen Antisemitismus und Kritik an Amerika vollzogen.

Der Wendepunkt, der „Turning Point“, wie die von Kirk gegründete Organisation heißt, zeigt sich auch darin, dass Gruppen von Maga-Anhängern die Denunziation von denjenigen, die sich kritisch über Kirk oder überhaupt Maga äußern, aktiv über die Sozialen Netzwerke betreiben. Die „Übeltäter“ werden mit persönlichen Daten (doxing) an den Online-Pranger gestellt, ihre Arbeitgeber werden unter Druck gesetzt, diese zu entlassen. Man will also ihre Existenz zerstören, was auch gelungen ist, und Menschen einschüchtern. Es ist eine organisierte Cancel Culture gerade von denen, die zuvor dasselbe bei den Woken beklagten und die Praxis nun ins Extrem treiben. Der neue Heilige der Rechten, Charlie Kirk, hatte dies mit Turning Point bereits betrieben. Beispielsweise mit der Professor Watchlist, um „College-Professoren zu entlarven und zu dokumentieren, die konservative Studenten diskriminieren und linke Propaganda im Klassenzimmer verbreiten“. Als linke Ideologie gelten Klimaerwärmung, Inklusion, Gleichberechtigung, Anti-Semitismus bzw. Israel-Kritk, Beschränkung von Schusswaffen, Feminismus, Abtreibung, LGBTQ etc. Ziel ist die Einschüchterung von Professoren und die Bekämpfung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit.

Ein aktuelles Beispiel nach Kirk-Vorbild ist ausgerechnet eine Website, die sich Cancelthehate nennt und von dem Maga-Anhänger Jason Sheppard initiiert wurde, der auch hinter Wimkin.com steckt. Man nimmt scheinheilig den Kampf gegen den Hass auf, um ihn gegen politische Gegner zu instrumentalisieren, also auch Hass zu schüren. Man tut natürlich ganz harmlos, um sich rechtlich zu schützen: „Wir streben nicht nach Rache oder Lynchjustiz. Unser Ziel ist Transparenz – wir wollen sicherstellen, dass Personen in Machtpositionen hasserfüllte Worte oder Handlungen nicht vor der Öffentlichkeit verbergen können. Sie sollten NICHT belästigt, bedroht oder in irgendeiner Weise geschädigt werden.“

Auf der Website sollen Hinweise (Namen, Wohnort, Arbeitgeber) zu denjenigen, die schlecht über den politisch und religiös heiligen Kirk anonym, auf einer App eingegeben werden. Menschen sollen für ihre geäußerten Ansichten verantwortlich gemacht werden. Im Visier stehen vor allem einflussreiche Menschen wie Lehrer, Ärzte, Influencer, Angestellte im öffentlichen Dienst, Geschäftsleute etc.

Nachdem klar wurde, dass es mit der Anonymität nicht weit her ist, wurde die ursprüngliche Website mit der App vom Netz genommen und später etwas weichgespülter, aber noch funktionsuntüchtig wieder online gestellt: „Diese Plattform ist sowohl für Verbraucher als auch für Arbeitgeber gedacht, um fundierte Entscheidungen bei der Auswahl von Fachleuten und potenziellen Mitarbeitern zu treffen. Wir dulden oder empfehlen nicht, diese Informationen für andere Zwecke als für die persönliche Auswahl von Personen oder Unternehmen in öffentlichen Positionen zu verwenden.“

Erstveröffentlicht im Overton Magazin v. 26.9. 2025
https://overton-magazin.de/top-story/antifa-als-terrororganisation-oder-der-neue-mccarthyismus/

Wir danken für das Publikationsrecht.

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