Von Ulrich Sander
Im Februar 2025 hat die Dortmunder Verwaltung beschlossen, die Beweise von Naziverbrechen ökonomischer Eliten aus dem Verkehr zu ziehen. Die Erinnerungsarbeit wird verändert, indem die Gedenkstätte Steinwache gereinigt wird von dem Material, das die Verbrechen führender Industrieller nachweist. Der siebte Themenraum »Die Schwerindustrie setzte auf Hitler« wurde ab 1. Juni für immer geschlossen.
Begründung: Neue Beweise würden die Vögler, Flick, Springorum, Krupp, Kirdorf, Reusch und Co. entlasten. Die Mitgliedermassen der NSDAP und nicht die Industrie hätten die Partei finanziert. Es wurde zuletzt noch ein neuer Kurzkatalog herausgegeben, in dem es zum Raum 7 heißt: Der Zentrumspolitiker Franz von Papen sei derjenige gewesen, der am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Hindenburg mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Die Industrie habe Papen und nicht Hitler gewollt. Papen habe dann Hitler zur Kanzlerschaft verholfen.
Neue Beweise gibt es für die Verbrechen der Industriellen – so im Buch des führenden Wirtschaftshistorikers Adam Tooze mit dem bezeichnenden Titel »Ökonomie der Zerstörung«.
Und ganz neu: Die Erklärung von 49 führenden Konzernvertretern zum Jahrestag des 8. Mai 1945. Darin heißt es: »Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wäre ohne das Versagen der damaligen Entscheidungsträger in Politik, Militär, Justiz und Wirtschaft nicht denkbar gewesen. Heute übernehmen wir als deutsche Unternehmen Verantwortung, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit sichtbar zu machen.« Die Konzerne hätten entscheidend dazu beigetragen, das NS-Regime zu »festigen«.
Das Konzerndokument bringt die staatliche Erinnerungspolitik im ganzen Land in Erklärungsnot. In Gedenkstätten wurden kapitalismuskritische antifaschistische Aussagen getilgt. Das ging so weit, dass in der Wewelsburg bei Paderborn, der einstigen Kultstätte der SS, kein Wort zum Freundeskreis Reichsführer SS, dem Keppler-Kreis gesagt wird – die Mitglieder aus der Wirtschaft machten ja nach 1945 weiter.
Offenbar geschah die Änderung der Gedenkstätten auf Weisung der Regierung, ja des Verfassungsschutzes. Die Formulierung im Schwur von Buchenwald, dass die Vernichtung des Nazismus mit »seinen Wurzeln« notwendig sei, wird als verfassungswidrig gewertet, da gegen den Kapitalismus gerichtet, der als Bestandteil des Grundgesetzes anzusehen sei – was nicht der Wahrheit entspricht. Der Kapitalismus wird nicht im Grundgesetz erwähnt, ist nicht von ihm geschützt.
Die Erinnerungsarbeit der VVN-BdA NRW findet mit der Konzernerklärung, auch wenn diese nicht ausreichend ist (siehe die Seite 13 der antifa) eine Ermutigung.
In den Gedenkstätten sind die den Kapitalismus beschönigenden Darstellungen bzw. Unterlassungen rückgängig zu machen. In Oberhausen sollte zum Beispiel die Losung »Faschismus kommt nicht über Nacht, er wird vom Kapital gemacht« wieder an der Gedenkhalle angebracht werden. Stadtrundgänge sollten auch an Stätten der ökonomischen Täter führen. Die Kampagne »Verbrechen der Wirtschaft« wird neue Impulse bekommen. Ulrich Sander
Literaturhinweise: Günter Gleising, Verbrechen der Wirtschaft, RuhrEchoVerlag, 2017 und Ulrich Sander (Hg.), Von Arisierung bis Zwangsarbeit. Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933-1945, Papyrossa Verlag, Köln 2012.
Ferner Veröffentlichungen der VVN-BdA gemeinsam mit der Stadt Herten mit Hinweisen auf Stätten des NS-Terrors in der Stadt: www.vvn-bda-re.de/pdf/Gedenkplattenverlegungen.pdf und besonders: nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/spurensuche_herten.pdf
Erstveröffentlicht in der antifa, Magazin der VVN BdA Juli/August 2025
Wir danken für das Publikationsrecht.