Haushalt der Kriegskredite

Union und SPD loben ihren Haushaltsentwurf für 2025 als „Haushalt der Superlative“. Und in der Tat – die Zahlen sprechen für sich: Mit 500 Milliarden Euro und einer Nettoneuverschuldung von 80 Milliarden Euro, inklusive der Sondervermögen in Höhe von 140 Milliarden Euro als Kreditaufnahme, sprengt dieser Bundeshaushalt alle seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vorgelegten Etats.

Von Sevin Dagdelen

Bild: Bundeswehr. Creative Commons.

Insbesondere die Militärausgaben schlagen zu Buche. Der Verteidigungshaushalt wird zum zweitgrößten Etatposten. Die Lobbyisten der Rüstungsindustrie jubeln über eine Erhöhung der Rüstungsausgaben in diesem Jahr auf 108 Milliarden Euro – bis 2029 sollen es jährlich 150 Milliarden Euro sein. Die Bundesregierung hat dabei fest das NATO-Rüstungsziel von 5 % des Bruttoinlandsprodukts und 225 Milliarden Euro für Militärausgaben im Blick.

Bemerkenswert ist, dass mehr als die Hälfte aller neuen Schulden, die die Bundesregierung aufnimmt, in die explosionsartige Erhöhung der Militärausgaben fließt. Man muss bei diesen neuen Rüstungsausgaben also zu Recht von Kriegskrediten sprechen. Es ist eine Rüstungswirtschaft auf Pump, die hier auf die Schiene gesetzt wird.

Ein Staat, der nach innen zerfällt

Zugleich zerbröselt das Land. In der deutschen Hauptstadt ist das – wie in vielen anderen Regionen – inzwischen mit Händen zu greifen. Die marode Infrastruktur und der selbst verschuldete Personalmangel führen dabei zu immer groteskeren Situationen.

Kürzlich musste sogar der Tiergartentunnel, eine von Berlins Hauptverkehrsadern, wegen fehlendem Überwachungspersonal geschlossen werden. Und wer mit der Berliner S-Bahn unterwegs ist, für den wird jede Fahrt inzwischen zum Roulettespiel. Beim Thema Bildung prägen marode Schulen, Lehrkräftemangel und Unterrichtsausfall den Alltag.

Panzer statt Perspektiven

Es ist schlicht so, dass das Hochrüstungsland Deutschland sich sehr wohl mit den exorbitanten Profiten der Rüstungsindustrie verträgt – etwa im Fall von Rheinmetall, das von US-Investmentfonds wie BlackRock und Morgan Stanley kontrolliert wird –, aber nicht mit den notwendigen Investitionen in Bildung, Soziales und Infrastruktur.

Auch beim Thema Forschung und Innovation ist die Panzerliebe der Bundesregierung ein Klotz am Bein. So ist laut Vereinten Nationen Deutschland aus den Top Ten des weltweiten Innovationsrankings herausgefallen. Es ist ein Zeitzeichen, dass dafür China nun in die Liga der ersten zehn Länder aufgerückt ist. Der Haushalt der Kriegskredite wird den weiteren Abstieg noch beschleunigen.

Die neue Monroe-Doktrin

Die Berichte mehren sich, dass die USA im Rahmen ihrer Eindämmungspolitik gegenüber Russland und China zunehmend auf ihre Verbündeten setzen wollen und sich selbst stärker auf die Verteidigung der „westlichen Hemisphäre“ konzentrieren. Das ist nichts anderes als die Durchsetzung einer neuen Monroe-Doktrin, die für Länder wie Venezuela Krieg und für Brasilien einen US-Handelskrieg mit dem Ziel eines Regime Change bedeuten könnte.

Deutschland hingegen soll die Atommächte Russland und – gemeinsam mit Japan – China herausfordern. Genau diese von den USA geförderte Selbstüberschätzung atmet der Haushalt der Koalition. Kriegsvorbereitung auf Pump hat in der deutschen Geschichte noch nie zu etwas Positivem geführt.

Geschichtsvergessene Aufrüstung

Um einen Vorläufer für den aktuellen historischen Sprung bei den Militärausgaben Deutschlands zu finden, muss man weit in die Geschichte zurückblicken. 1932 lagen die deutschen Militärausgaben bei 1,5 % des BIP, 1933 stiegen sie auf 3,3 %, 1934 auf 3,4 % und 1935 auf 5,5 %. Mit Verteidigung hatten diese exorbitanten Steigerungen auch damals nichts zu tun – obwohl sie der Öffentlichkeit genau so präsentiert wurden.

Kritiker der deutschen Aufrüstung wie der von den Nazis gefolterte und ins KZ Esterwegen deportierte Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky wurden bereits in der Weimarer Republik politisch verfolgt.

Widerstand gegen den Weg in die Barbarei

Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte in der Haushaltsdebatte einen „Herbst der wichtigen Entscheidungen“ an. Der Kern seiner Vorschläge zielt auf einen Angriff auf den deutschen Sozialstaat, den man sich angesichts der gigantischen Aufrüstung angeblich nicht mehr leisten könne. Doch auch der Spielraum für immer neue Kriegskredite ist nicht unbegrenzt.

Merz beschwor zugleich die Gefahr aus dem Osten, um den Rüstungssprung zu rechtfertigen: „Russland will unsere Gesellschaften destabilisieren“, so der Kanzler. Wer sich jedoch den Haushalt der Superlative genau anschaut, wird feststellen müssen: Es sind Union und SPD, die unsere Gesellschaft destabilisieren – und bereit sind, den Sozialstaat auf dem Altar der Kriegsvorbereitung zu opfern.

Der Sozialstaat, als eine der Lehren aus dem deutschen Faschismus, ist der Kern unserer Zivilisation. Die Bemühungen, ihn zu schleifen, sind nichts anderes als ein Weg in die Barbarei.

Dieser Weg ins Nichts verdient unseren entschiedenen Widerstand.

Sevim Dagdelen

Sevim Dagdelen war von 2005 bis 2025 Mitglied des Deutschen Bundestages. Die Politikerin ist außenpolitische Sprecherin der Gruppe „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) und war Obfrau im Auswärtigen Ausschuss. Die Abgeordnete war Mitglied in der Parlamentariergruppe USA, in der Deutsch-Chinesischen sowie Deutsch-Indischen Parlamentariergruppe. Sevim Dagdelen war viele Jahre Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO, in der Abgeordnete aus den Mitgliedsländern des Militärpakts über sicherheits- und verteidigungspolitische Themen beraten.
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Erstveröffentlicht im Overton Magazin v. 17.9. 2025
https://overton-magazin.de/kolumnen/dagdelen-direkt/haushalt-der-kriegskredite/

Wir danken für das Publikationsrecht.

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