Alternativer Nobelpreis für die Kooperative Cecosesola in Venezuela


Interview mit Georg Rath von der Kooperative Cecosesola aus Anlass der Preisverleihung – Fragen: Jochen Gester (Die Buchmacherei)


Die Kooperative Cecosesola in Barquisimeto im Westen Venezuelas hat im letzten Jahr den „Right Livelihood Award“, der auch als „Alternativer Nobelpreis“ gekannt ist, gewonnen. Dieser Preis geht an Menschen und Bewegungen, die sich für eine menschenwürdige Existenzgrundlage aller Gesellschaftsmitglieder stark machen und dabei Erfolge erzielen. Welche Errungenschaften waren es, die das Preiskomitee in eurem Fall überzeugt hat?

(Georg Rath:) Ich denke, es waren vor allem zwei Elemente unseres Prozesses, die da ausschlaggebend waren. Zum Ersten wohl die kommunitäre Ausrichtung unserer Dienstleistungen. Das bedeutet, inmitten des Marktgeschehens die sog. Marktgesetze nicht nur nicht anzuwenden wie jedes kommerzielle Unternehmen, sondern sie auch – soweit es geht – zu transformieren und den Bedürfnissen der Kommunität, mit der wir uns solidarisch verbunden sehen, anzupassen. Zum einen gehen wir grundsätzlich nicht gewinnorientiert vor, sondern als Kooperative folgen wir der Orientierung der Gemeinnützigkeit.


Hier ein paar Beispiele, um dies zu erläutern. Auf unseren Wochenmärkten sind die Preise das Ergebnis von periodisch stattfindenden Gesprächsrunden zwischen compañer@s der in Cecosesola beteiligten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und denen der Wochenmärkte. In diesen Runden werden die Lebens- und Produktionsnotwendigkeiten auf dem Lande einerseits und andererseits das Bestreben, die Endpreise für Obst und Gemüse so zu halten, dass sie für breite Teile der Kommunität zugänglich bleiben, zur Sprache gebracht. Das sind Treffen von ein oder zwei Tagen, an denen viel diskutiert wird. Die Entscheidungen werden letztlich im Konsens getroffen. Ein zweites, charakteristisches Merkmal ist, dass wir uns alle im Prinzip dasselbe Einkommen bezahlen, was vor allem Spitzengehälter ausschließt. Drittens wird der Löwenanteil eventuell anfallender Überschüsse am Ende des „Geschäftsjahres“ nicht „ausgeschüttet“, sondern in Verbesserungen unserer Dienstleistungen verschiedenster Art der Kommunität sozusagen zurückgegeben. Hier ist der Bau unseres Gesundheitszentrums wohl das eindrücklichste Beispiel. Unser Wirtschaften mit dem Anspruch sozialer Nachhaltigkeit und die Konsensausrichtung haben das Preiskomitee wohl beeindruckt.

Die Kooperative existiert nun schon länger als ein halbes Jahrhundert. Das ist ein ausgesprochen langer Zeitraum für ein Projekt, das wirtschaftlich ein Konzept vertritt, das nicht dem kapitalistischen Mainstream folgt. Wie war das möglich? Kannst du versuchen die Entwicklung der Kooperative in großen Schritten zu skizzieren? Wie gelang es trotz aller Widerstände zu überleben?

Cecosesola begann 1967 mit einer Organisationsstruktur, die sich sehr wenig von den traditionellen unterschied: als Kooperativenzentrale, strikt hierarchisch mit der Figur des Präsidenten und seiner ausgeprägten Entscheidungsmacht, Sitzungen der kleinen Führungsriege hinter verschlossenen Türen, die Kooperative als Initiative von cooperativistas für cooperativistas, in der es galt, den Mitgliedern Zugang zu Lebensnotwendigem zu erleichtern, während die Arbeiter*innen der Kooperative sich ohne Mitspracherecht ihren Lohn verdienten…

Dies lief auch in einer ersten Etappe finanziell ganz gut. Dann stellten jedoch einige Berater die Frage, ob es nicht Aufgabe der Kooperativen sei, sich nicht nur für ihre Mitglieder, sondern für die Gesamtbevölkerung einzusetzen. Die Bejahung dieser Frage in Zeiten des kontinentalen Einflusses des kubanischen Prozesses sowie dem Aufkeimen der nationalen Befreiungsbewegungen führte dazu, dass sich einige Basiskooperativen aus der Zentrale ausklinkten. Damit wurde der Weg zu einer ersten internen Demokratisierung allmählich freigemacht. Das Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht der Arbeiter*innen wurde im Bestattungsinstitut, der ersten Aktivität Cecosesola´s, eingeführt.

Die kommunitäre Perspektive hatte dann auch zur Folge, dass Cecosesola sich an den damaligen Kämpfen gegen eine Erhöhung des Fahrpreises im städtischen Nahverkehr beteiligte. Zusammen mit Schülern, Studenten und Stadtvierteln von Barquisimeto wurde demonstriert, es wurden Barrikaden errichtet, und Cecosesola stellte sich immer klarer auf die Seite der Bevölkerung. Doch blieb es nicht beim Protest: Cecosesola nahm die Herausforderung an, den innerstädtischen Verkehr in Barquisimeto unter Beibehaltung des ursprünglichen Fahrpreises zu organisieren. Dies blieb nicht ohne Folgen, Cecosesola wuchs praktisch über Nacht von einer Initiative mit 24 Arbeiter*innen zu einem demokratisch geführten Unternehmen mit um die 300 Beschäftigten an. 138 mit städtischen Krediten gekaufte Busse transportierten Menschen, auch in die städtischen Randgebiete. Cecosesola wurde langsam zu einem Machtfaktor in der Stadt und folgerichtig vom Stadtrat und den politischen Parteien als eine Konkurrenzmacht eingestuft. Daraus wurde ein politischer Machtkampf (Stadtrat/Bürgermeisteramt/ Landesregierung/ Transportsyndikat einerseits und Cecosesola andererseits). Die Rede war nun von kommunistischen Akteuren und die Busse wurden widerrechtlich beschlagnahmt. Es war eine Zeit der organisatorischen und finanziellen Herausforderung: täglich fanden an immer wechselnden Orten Gesprächsrunden statt, in denen nicht nur die Situation analysiert und über Vorgehensweisen entschieden wurde, sondern in diesem Prozess begann sich auch das Konsensprinzip zu kristallisieren. Jede(r) konnte sich dabei einbringen.

Am Ende dieses Kampfes gab es eine politische Niederlage. Jedoch stand ihr ein die kommenden Jahrzehnte prägender Lernprozess gegenüber: die kritische und selbstkritische Auseinandersetzung mit der Machtfrage, die Betonung des prozesshaften Abbaus hierarchischer Beziehungsgeflechte und des demokratisch-respektvollen Umgehens miteinander im Innern von Cecosesola. Das schlug sich für unsere Bewegung in einer große organisatorischen Flexibilität und Resilienzfähigkeit nieder, schnell auf sich wandelnde äußere Umstände zu reagieren.

Zum Weiterlesen: „Cecosesola – Auf dem Weg“, Taschenbuch, 168 Seiten, Die Buchmacherei 2012, mit einem 2022 aktualisierten Vorwort; ISBN 978-3-00-037134-9; 11.00 €. >>> https://diebuchmacherei.de/produkt/auf-dem-weg-gelebte-utopie-einer-kooperative-in-venezuela/

In der Debatte der Linken, die euch mit Sympathie und durch praktische Solidartität unterstützen, stießen die dort entwickelten Instrumente der Meinungsbildung und Beschlussfassung auf großes – teilweise aber auch etwas ungläubiges – Interesse. Könntest du uns verdeutlichen, was hier genau passiert, warum es bei euch funktioniert und zum Erfolg beiträgt?

Das ist auch durchaus verständlich, da es sich um eine durch und durch „hausgemachte“ Entwicklung handelt. Rein statistisch geht es innerhalb von Gesamtcecosesola (Bestattung, Gesundheit, landwirtschaftliche Kooperativen, kooperative Familienbetriebe, Wochenmärkte, Kooperativen Schule, Eigenfinanzierung) um rund 3000 Gesprächsrunden im Jahr. Nur bei den gesetzlich vorgeschriebenen Vollversammlungen wird zu Beginn eine Agenda ausgearbeitet, ansonsten pflegen die Themen auf den Tisch zu kommen, von denen die Beteiligten fühlen, dass sie derzeit Sache sind..Im Laufe der Zeit sind hierarchische Strukturen soweit heruntergefahren worden, dass wir heute sagen können, dass die Gesprächsrunden die einzige formale Organisationsform sind. Und auch wenn es zutrifft, dass dabei über operative Prozesse geredet, ausgewertet und geplant wird, konkrete Entscheidungen getroffen werden, so ist doch der Kern ein anderer: obgleich es eine Satzung gibt, die auch gesetzlich vorgeschrieben ist, hat sich Cecosesola immer weiter von starren Regeln und normativen Handlungsanweisungen entfernt. Dies mag für deutsche Verhältnisse gar nicht außergewöhnlich klingen, ist aber im venezolanischen Kontext eher die Ausnahme. Was sind denn nun die Orientierungspunkte, die den Konsens in unserem Sinne ermöglichen? Das sind die von uns so genannten Kriterien, welche kollektive Übereinkünfte beinhalten und als Entscheidungshilfen fungieren. Diese werden – je nach Gewichtung und Bedeutung – in vielen Gesprächsrunden thematisiert, diskutiert, ziseliert, bis am Ende konsensmäßig eine verbindliche, aber flexible Übereinkunft getroffen wird, welche den konkreten Alltagsentscheidungen zugrunde liegt.

Ein Beispiel: lange Jahre hindurch waren unsere Wochenmärkte, die ja das finanzielle Rückgrat unserer Bewegung sind, freitags, samstags und sonntags bis Mittag geöffnet. Dies, weil einerseits die Familien an diesen Tagen mehr Zeit zum Einkaufen haben und andererseits, weil wir schon viel Zeit für unsere zahlreichen Gesprächsrunden benötigen. Doch obwohl wir neue Wochenmärkte aufmachten, wuchs und wuchs das kommunitäre Bedürfnis an unseren Dienstleistungen in Sachen Lebensmitteln. Dies wurde dann lange diskutiert, und wir kamen zu der Übereinkunft, den Donnerstag als Verkaufstag hinzuzufügen. Im Kontext der Pandemie ergab sich dann wieder eine neue Situation: wie verhindern, dass die Schlangen vor den Märkten und auch vor den Kassen so arg gedrängt bleiben, wie wir es bis dahin gewohnt waren? Und wieder kam das Frage der Öffnungstage und –zeiten auf den Tisch. Ncht als Frage der Verkaufssteigerung, sondern als Sicherheitsmaßnahme. Wir fügten also Dienstag und Mittwoch als Verkaufstage hinzu, was logistisch und organisatorisch einen neuen Klimmzug bedeutete. Jetzt, da die Pandemie zumindest in Venezuela, nicht mehr die Einschlagskraft wie zuvor besitzt, haben wir dann den Dienstag wieder zum Tag kollektiver Reflektionen gemacht.

Die soll ein wenig sowohl die Flexibilität der Kriterien als auch ihre konsenshafte Entstehung beleuchten. Es muss dann eben nicht in langwierigen Plenarsitzungen mit Zustimmung eines/einer jeden über jede Entscheidung gebrütet werde. Auch sollte hier erwähnt werden, dass das Wort „Konsens“ (im spanischen: sentir = fühlen) auch mit einer nicht ausschließlich argumentativen Ebene zu tun hat. Wenn wir gemeinsam fühlen, dass wir jetzt eine Übereinkunft haben, dann ist dies – zusammen mit der argumentativen Diskussion – der Konsens und … er funktioniert!

Die ökonomischen Probleme des heutigen Venezuela, das in den letzten Jahren eine starke wirtschaftliche Krise erlebte, die eine große Flüchtlingsbewegung vor allem ins benachbarte Kolumbien auslöste, scheinen mir einerseits innere Ursachen zu haben, zum anderen das Ergebnis weltwirtschaftlicher Zwänge sowie der feindlichen Politik des großen Imperiums in der Nachbarschaft zu sein. Wie bewertest du diese Entwicklungsprobleme?

Du fragst nach meiner Einschätzung. Von daher ist es unerlässlich, zu betonen, das im Folgenden keine „offizielle“ politische Stellungnahme seitens Cecosesola ausgeführt wird (die es übrigens auch nicht gibt, da Cecosesola nur sehr, sehr ungern solche Stellungnahmen abgibt), sondern meine persönliche Sicht der Dinge. Es gibt zwei sehr heikle Themen: zum einen die humanitäre Krise im Land, die die Lebensbedingungen von Millionen von Venezolanern verschlechtert hat, ganz zu schweigen von den anderen sechs Millionen venezolanischen Migranten. Die venezolanische Wirtschaftskapazität hat seit dem Jahr 2013 ständig abgenommen, viele Infrastrukturen sind fast hoffnungslos veraltet. Um auf den Stand des Bruttosozialproduktes dieses Jahres 2013 zu kommen (was ja außerdem noch nichts über seine Verteilung aussagt), müsste die venezolanische Wirtschaft über 32 Jahre hinweg einen jährlichen Zuwachs des BSP von rund 10% verzeichnen!

Das andere Thema ist die Möglichkeit eines Übergreifens des politischen Konflikts, der da „Ausverkauf des Landes“ bedeutet, auf die Bevölkerung und damit die Notwendigkeit, solche Szenarien zu vermeiden. Die dominierenden Gruppen, die verhandeln, sind im Wesentlichen politische und wirtschaftliche Eliten, die dem Land den Rücken gekehrt haben, was der Bevölkerung durchaus bewusst ist. Sie stehen mit dem Rücken zum Land und sind mit bestimmten wirtschaftlichen und politischen Interessen verbunden (siehe das neue Abkommen zwischen der venezolanischen Regierung und Chevron; ein hochrangiger Manager von Chevron wurde vor einigen Wochen sogar zum Generaldirektor von Petropiar, einer Tochtergesellschaft der staatlichen Ölgesellschaft PdVSA, ernannt). Obwohl diese Gruppen politisch konfrontativ waren, haben wir am Tisch einen großen Konsens über die Kapitulation. Viele der Liberalisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen der Regierung Maduro werden von verschiedenen Oppositionsakteuren und Wirtschaftsverbänden begrüßt. Andere Gruppen, die nicht mit am Tisch sitzen, sind verärgert, dass sie nicht direkt an diesen neoliberalen Reformen beteiligt sind. Der Neoliberalismus ist also ein politischer Konsens der Eliten.

Eine große neoliberale Reform, an der eben auch das transnationale Kapital beteiligt ist, könnte einige makroökonomische Indikatoren anheben, dem Kapital eine größere Stabilität bieten und den Binnenmarkt relativ wachsen lassen, was eine Illusion von Reichtum schaffen würde. Außerdem ist diese mit der Hoffnung verbunden, dass, im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und der damit verbundenen, weltweiten Energiesituation, die – vor allem US-amerikanischen Sanktionen – zurückgefahren werden, welche seit 2017 gegen die venezolanische Regierung verhängt worden sind. Die Auswirkungen der Sanktionen treffen aber de facto die venezolanische Bevölkerung. All dies geschieht um den Preis, dass das Land mit einem hohen Maß an Auslandsverschuldung und Privatisierung, großer Umweltzerstörung, der Entlassung von Arbeitnehmern und der Verfestigung der sozialen Ungleichheit, die sich in den letzten Jahren verschärft hat, ausgeliefert wird und die grundlegenden und strukturellen Probleme nicht gelöst werden. Neben dem Erdöl hat sich die vom Extraktivismus dominierte, 112 000 Quadratkilometer große Region des „Arco Minero del Orinoco“ mit ihren Gold-, Diamanten-, Coltan- und Seltenen Erden- Vorkommen, in das ertragreichste Geschäft des venezolanischen Ausverkaufs akzentuiert.

Um zwei Beispiele zu nennen: Die Krise hat Venezuela in eine große Maquila verwandelt, ein großes Zentrum für billige Arbeitskräfte, das in Wirklichkeit für das internationale Kapital und seine Investitionen sehr attraktiv ist und mit den Sonderwirtschaftszonen und den Mechanismen zum Schutz des Kapitals de facto legalisiert wird; andererseits werden die natürlichen Ressourcen des Landes versteigert, wobei der Zugang für die Investoren sehr einfach ist, und zwar auf Kosten einer enormen Umweltzerstörung und der Enteignung von Gebieten.

In diesem Sinne sehen die Menschen die politischen Entwicklungen im Allgemeinen mit Zynismus und Skepsis. Darüber hinaus vergisst die Bevölkerung nicht, dass beide Seiten im Konflikt zwischen Regierung und Opposition die Bevölkerung als Instrument und Kollateralschaden einsetzen und das Streben nach Macht über alles stellen.

Was werdet ihr mit dem erhaltenen Preisgeld machen und wo seht ihr eure wichtigsten Entwicklungsaufgaben in Venezuela?

Unsere kommunitären Dienstleistungen werden auch weiterhin einen wichtigen Platz in unserem Tun einnehmen, denn sie sind ja schlicht und einfach das finanzielle Standbein, das es uns erlaubt, relativ unabhängig auf der Suche nach neuen Facetten unseres Lernprozesses neue Schritte zu tun. Es gibt erste Meinungen und Aktionen unter uns, dass die Aufgaben auch immer mehr die Umweltsituation miteinbeziehen sollten. Wir haben schon ein paar Schrittchen in Richtung Fahrrad, Aufforstung auf unserer Farm am Rande der Stadt, Wiederverwertung von Kartons und Plastik, definitives Ende des Verkaufs von Plastiktüten auf unseren Wochenmärkten. Im Gesundheitszentrum werden die Grünanlagen, die selbst ja bereits ein Schritt zur Umweltfreundlichkeit sind, mit gebrauchtem Wasser aus der Wassertherapie besprengt, und seit Dezember 22 auch mit der Inbetriebnahme einer kleinen Solaranlage begonnen; doch daraus kann und sollte eigentlich mehr werden.

Ein Teil des Preisgeldes wird in die Finanzierung solcherart Aktivitäten einfließen. Doch auch hier geht es nicht einfach um andere „Sachen“ in unserer verdinglichten Welt, sondern vor allen Dingen, darum, zu lernen und die respektvollen und verantwortungsbewussten Beziehungen, die wir unter uns schaffen wollen, auch auf diejenigen mit der Natur auszuweiten.


Festveranstaltung des Soli-Netzwerkes in Wuppertal anlässlich der Preisverleihung

Welche Netzwerke konntet ihr in den letzten Jahren international knüpfen? Wie beurteilt ihr die Arbeit des deutschen Solidaritätsnetzes und wie könnte die zukünftige Arbeit noch verbessert werden?

Die internationalen, solidarischen Verknüpfungen sind stetig gewachsen. Für März 2023 z.B. haben wir eine Einladung zum Kongress für solidarisches Wirtschaften in Dakar erhalten. Das Netz dieser Beziehungen hat seinen Schwerpunkt allerdings in Amerika und Europa. In Europa und vor allem in Deutschland hat die Veröffentlichung des Buches von Cecosesola „Auf dem Weg“ wesentlich zu vielfältigen, neuen Kontakten geführt. Daraus ist z.B. der Prozess des beiderseitigen Austausches mit deutschen Kommunen erwachsen, der immer konkretere Formen der gemeinsamen Reflektion und Aktion annimmt, Auch konnte ein solidarischer Medikamentenfonds in Deutschland finanziert werden, der innerhalb von Cecosesola zu einer selbstgeführten und selbstfinanzierten, apothekenähnlichen Initiative innerhalb unseres Gesundheitsbereiches geführt hat.

Seit einigen Jahren stellen wir uns vermehrt die Frage, wie dies über das Bekanntmachen und Sich-Treffen hinausgehen und zu gemeinsamen, wenn auch kleinen Aktionen, gelangen kann, in denen das solidarische Element nicht nur eine einseitige Unterstützung, sondern eine neue Gegenseitigkeit beinhalten kann. Dies ist möglicherweise sehr anspruchsvoll: Doch warum sollten wir darauf verzichten, uns neue Wege und Möglichkeiten einfallen zu lassen?

Georg »Jorge« Rath (Jahrgang 1950) ist 1977 aus der BRD nach Lateinamerika übergesiedelt. In Venezuela war er zunächst in einer Fabrik beschäftigt und in einer Gewerkschaft aktiv, später engagierte er sich 15 Jahre lang bei der Stadtviertelarbeit. Seit 1999 ist Rath Mitglied beim Genossenschaftsbund Cecosesola. Er ist mittlerweile ausgebildeter Akupunkturtherapeut und im Gesundheitszentrum von Cecosesola tätig. Cecosesola (Central Cooperativa de Servicios Sociales del Estado Lara) ist ein Verbund von Genossenschaften in Venezuela. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind der Anbau und Vertrieb von Lebensmitteln sowie die Gesundheitsversorgung. 2022 gewannen sie den Alternativen Nobelpreis.

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