Kommentar von Sebastian Weiermann über die Entsorgung des Antifaschismus
Bild: Screenshot You Tube Video
Warum schreibe ich hier über eine winzige Straße in Dortmund, deren Benennung nur Thema in der dortigen Bezirksvertretung ist? Weil die Straße uns etwas über gesellschaftliche Entwicklungen in diesem Land sagt. Denn Kurt Goldstein, um den es hier als Namensgeber geht, war Kommunist und Jude.
Kurt Goldstein war Antifaschist. Als in den 90ern Häuser brannten und Nazis wieder begannen, ihre Aufmärsche zu zelebrieren, da war er da. Stand dagegen auf, sprach bei Demonstrationen, stellte sich den Faschist*innen entgegen. Noch viel wichtiger: Er ging in Schulen und berichtete dort über die Schrecken des Holocausts. Kurt Goldstein hatte ein Außenlager von Auschwitz überlebt. Für dieses Engagement wurde er 2005 mit dem Bundesverdientskreuz geehrt.
Goldsteins Ehrung fand in einer Zeit statt, in der Deutschland sich – man kann viel daran kritisieren – als Musterschüler in der Geschichtsaufarbeitung verstand und inszenierte. Dass er Kommunist war und auch in der DDR Funktionen innehatte, spielte bei der Ehrung eine geringere Rolle als Goldsteins Einsatz gegen alte und neue Nazis.
Von diesem »geläuterten« Deutschland ist immer weniger übrig. Die AfD will es loswerden, sie will uneingeschränkt »stolz auf Deutschland« sein. In Dortmund hat sie versucht, Kurt Goldstein wegen dessen Funktionen in der DDR zu diskreditieren. Mit Erfolg, die CDU ist darauf eingestiegen.
Das zeigt nicht nur, dass die »Brandmauer« zur AfD nicht viel mehr als eine Worthülse ist, es zeigt auch, dass die CDU sich ideologisch weiter an die AfD anpasst. Antifaschismus ist in diesem Land kaum noch etwas wert. Eine winzige Straße in Dortmund ist ein weiteres Puzzleteil auf dem Weg zu Blau-Schwarz.
Worin ging es vor Ort:
Dortmund-Scharnhorst. Die CDU hat angekündigt, dagegen zu stimmen, dass im Scharnhorster Stadtteil Grevel eine Straße nach dem Holocaust-Überlebenden und Antifaschisten Kurt Julius Goldstein benannt wird. Damit schließt sie sich der AfD an, die die geplante Benennung bei einer Sitzung der Scharnhorster Bezirksvertretung im November kritisiert hatte, weil Goldstein zu DDR-Zeiten der SED angehörte.
Eigentlich sollte die Benennung schon vor einem Monat beschlossen werden, wurde auf Antrag der CDU jedoch auf diesen Dienstag vertagt. Inzwischen habe man Goldsteins Lebenslauf geprüft und halte es nicht für angemessen, ihn mit einem Straßennamen zu ehren, erklärt CDU-Sprecher Jürgen Focke. »Seine klare Ablehnung unserer demokratischen Grundrechte wie Rede-, Meinungs- und Reisefreiheit und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, der Basis unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wiegen für uns so schwer, dass wir einer Namensgebung nicht zustimmen können«.
Der Antifaschist war als Jugendlicher unter anderem in der KPD-Jugend aktiv, als junger Mann bei einer zionistischen Organisation in Palästina und als Interbrigadist am Krieg gegen Franco in Spanien. Er überlebte das Konzentrationslager Ausschwitz und den Todesmarsch nach Buchenwald. Bis ins hohe Alter engagierte er sich gegen Nazis, leistete Aufklärungsarbeit und erhielt dafür 2005 das Bundesverdienstkreuz.
Unter den AfDlern, die Stimmung gegen den Straßennamen gemacht haben, ist Matthias Helferich, der der Jungen Alternative und der extremen Rechten nahe steht. Laut Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, ist es für Demokraten eine Ehre, »von einem Vertreter der AfD denunziert zu werden«. Goldstein, der auch Ehrenpräsident des Internationalen Auschwitz Komitees ist, habe sein Leben lang gegen Rechtsextremismus gekämpft und werde von Auschwitz-Überlebenden in vielen Ländern hoch geachtet. ltb
Erstveröffentlicht im nd v. 3/4.12.223
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178235.kurt-goldstein-afd-und-cdu-in-dortmund-reaktionaere-geschichtspolitik.html?sstr=Kurt|Goldstein
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178238.antifaschismus-cdu-und-afd-gegen-die-ehrung-von-kurt-goldstein.html?sstr=Kurt|Goldstein
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