„Wir müssen handeln“

Kleiner Bericht über die Versammlung „Wir müssen handeln“, die unter dem Dach der „Antikriegskoordination“ am Samstag, den 9.9. im Mehringhof stattfand.

Die Veranstaltung, an der bis zu 60 vorwiegend junge Leute teilnahmen, bestand aus den Blocks: „Gespräch mit Antimilitarist:innen aus Russland und der Ukraine“, Vorstellung der Arbeit des trans/feministischen Kollektivs „Non una di Meno“ aus Mailand und des Hafenarbeiterkollektivs CALP aus Genua. Danach folgte ein Referat von Jürgen Wagner von der auch im Forum schon oft zitierten „Informationsstelle Militarisierung“ (IMI) (https://www.imi-online.de/) Den Abschluss bildete eine Diskussionsrunde zu weiteren Perspektiven. Ich beschränke mich hier auf das Russland/Ukraine-Thema, obwohl gerade in Bezug auf die politische Schlagkraft gerade die italienischen Genoss:innen von CALP und der „Non una die Meno“ im gemeinsamen Antimilitarismus sicher ein größeres Rad drehen und besonders lehrreich sind. „Nun una di Meno“ ist ein internationales feministisches Netzwerk, das in Lateinamerika als Widerstand gegen die Femizide entstanden ist. (1) In Italien spielt „Nun una die Meno“ eine wichtige Rolle bei der Organiaierung und Mobilisierung des Widerstands gegen die Militärbasen der NATO, die aktuell ausgedehnt werden. Denn Krieg ist auch die zugespitzte Form patriarchaler Gewalt. Ferner thematisieren die Frauen erfolgreich den Zusammenhang von Aufrüstung und Sozialabbau. Zur CALP siehe auch hier: https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/italien-das-autonome-hafenarbeiterkollektiv-calp/

Die Gäste aus Russland und der Ukraine waren online ohne Bild zugeschaltet, da sie illegal operieren müssen. Ursprünglich war die Gruppe RTU vorgesehen,die seit längerem mit den ukrainischen Genoss:innen der RFU kooperiert. Doch hat dies wohl aus Sicherheitsgründen nicht geklappt, so das die Gruppe RKSM (b) eingesprungen ist. Vorbereitet wurde die Versammlung vor allem aus Aktivist:innen von „Rheinmetall entwaffnen“, der Gruppe  „Migrantstrikes“ und der Initiative „Nieder mit dem Krieg!“. Letztere ist eine der kommunistischen Neugründungen, die in den letzten Jahren entstanden sind und vor allem aus jungen Aktivist:innen besteht. Teilweise erlebt man hier wohl eine Art Deja-vu der K-Gruppen-Szene der 70er Jahre. Doch freuen wir uns über das rebellische Moment und hoffen auf Lernprozesse.   

Die RFU wies darauf hin, dass die Situation in der Ukraine dadurch gekennzeichnet sei, dass die gesamte Opposition, auch die bürgerliche, unterdrückt wird. Die Ukraine habe eine fortschrittliche Arbeitsverfassung aus der Zeit der UdSSR gehabt, die aber jetzt entsorgt würde. Streik- und Demonstrationsrecht seien aufgehoben. Ebenso der Kündigungsschutz. Wer auch nur einen Tag krank wird, muss damit rechnen entlassen zu werden. Die maximale Länge der wöchentlichen Arbeitszeiten wurde von 40 auf 60 Stunden erhöht, ohne dass es dafür mehr Geld gibt. Nachtzuschläge gibt es ebenfalls nicht mehr. Auch wurde das Recht Kollektiverträge abzuschließen kassiert. Renten werden gekürzt und die Lebensarbeitszeit verlängert. Im Rahmen der neoliberalen Umgestaltungen der Arbeitswelt verspräche sich besonders Blackrock einen größeren Anteil an der Beute des Krieges. Die RFU arbeitet vor allem unter Wehrpflichtigen, die sie unterstützt im Kampf um den versprochenen Sold, bei Krankheit und anderen Problemen und nimmt hier eine wachsende Unzufriedenheit wahr. Die Arbeitslosigkeit habe in der Ukraine zeitweise mehr als 50% betragen und sei jetzt auf ein Niveau von 35% gesunken. Dies erzeuge starke Abhängigkeiten und Gefügigkeit. Das erkläre auch, warum viele in die Armee gegangen sind. Diese bestehe in hohem Maße aus Arbeitern, die sich eine Ausreise nicht leisten können und irgendwie überleben müssen. In Russland sei das nicht viele anders. Insgesamt hätten sich von dort wohl 1 Mio Menschen ins Ausland abgesetzt. In der Armee sind die, die sich nicht ins Ausland absetzen können. In der Diskussion zur Gruppe „Sotsialny Ruch“, die in Deutschland für Teile der Linken eine wichtige Kontaktgruppe ist, befragt, antwortete der Genosse, SR sei für sie eine sozialchauvinistische Vereinigung und habe eigentlich in der Ukraine keinen wirklichen politischen Einfluss und Basis, existierte nur auf Grund von Geldzuwendungen aus dem Westen. Ihr Kern bestünde wohl aus RLS-Stipendiat:innen. Credo der RKSM (b); „Wir dürfen nicht die Sozialchauvinismusfehler der Linken im 1. Weltkrieg wiederholen.“ Die RFU operiert mit sozialen Medien wie telegramm und You Tube und schafft Öffentlichkeit durch Grafitties.

Die RKSM (b) – b steht für Bolschewiki – ist ebenfalls eine ML-Gruppe, die unter Gleichgesinnten auch international vernetzt ist. Sie unterstützt die Selbstorganisation der Jugend, arbeitet auch in Sportvereinen, macht Lesekreise und Schulung in Literatur der marxistischen Klassiker, möchte die Arbeiterbewegung stärken. Aktuell hat sie eine Protestbewegung der russischen Postangestellten unterstützt, die Wellen durch ganz Russland ausgelöst hatte. Gemeinsam mit RTU  und RFU möchte sie eine gemeinsame Plattform der ukrainischen und der russischen Kommunist:innen erarbeiten. Zur Frage, wie sich die russische Linke insgesamt zum Krieg positioniert, wurde gesagt: Es gibt drei Lager, eins ist pro-westlich, ein zweites für die Unterstützung der russischen Regierung und ein drittes antimilitaristisch und internationalistisch. Das dritte bekomme gerade unter jungen Leuten verstärkten Zulauf. Die RKSM (b) sieht Faschisierungstendenzen in Russland. Doch sieht sie dort ebenso wie die RTU keinen Faschismus an der Macht. In der Debatte über die Frage, ob Russland imperialistisch sei, bemühten die Genoss:innen ausgiebig Lenins Imperialismusschrift und verwiesen insbesondere auf die zentrale Bedeutung des Kapitalexports für Lenin. Darüber versuchten sie zu begründen, dass die russische Außenpolitik einem imperialistischen Pfad folgt. Sie wiesen in diesem Kontext auch darauf hin, dass die russischen Oligarchen in der Ukraine viel Geld und Einfluss verloren haben, was ihr Interesse an kriegerischen Lösungen beflügelt haben könnte. Natürlich habe Russland nicht die imperialistische Potenz wie die USA, sei kleiner und schwächer, doch seien die Triebkräfte der Politik keine anderen.   

Der antimilitaristische Konsens der Veranstaltung war tragend. Ohne erkennbare Resonanz blieben die Wortmeldung einer ungarischen Linken, Waffenlieferungen an die Ukraine seien unverzichtbar und die Klage einer ehemaligen RAF-Angehörigen im Saal herrsche eine empörende Russlandfeindlichkeit.

Bei aller Freude darüber, dass sich hier eine Bewegung auf antimilitaristischer Basis formiert, die sich weigert, Kriegspartei zu sein, hatte ich aber auch den Eindruck, dass die Veranstalter eher in ihrem bescheidenen Rahmen weiter wirken wollen, ohne sich der Aufgabe zu stellen, dazu beizutragen, die Friedensbewegung insgesamt wirkungsmächtiger zu machen. Es genügt der Blick auf die Entschlossenheit der kriegstreibenden Kräfte und die geringe eigene Mobilisierungsfähigkeit, um zu begreifen, dass wir erst am Anfang stehen. Ein bedeutender Schritt vorwärts wäre, wenn die jetzt getrennt marschierenden Kräfte der Linken, sich über einen belastbaren Minimalkonsens einigen könnten, der für alle Kriegsgegner:innen offen ist und gleichzeitig alle Friedenssimulanten abweist.

(1) Ni una menos (wörtlich „Nicht eine weniger“) ist eine gesellschaftspolitische feministische Bewegung, die durch Streiks, Demonstrationen und gewaltfreie Mobilisierungen gegen geschlechtsspezifische Gewalt, Patriarchat, Chauvinismus, Machismo und Sexismus kämpft. Es setzt sich für eine Gesellschaft ein, die frei von patriarchaler Logik ist und Institutionen, Medien, Arbeit und Verhalten von einem überwiegend männlichen Modell befreit. Geboren wurde die Bewegung am 3. Juni 2015 in Argentinien geboren, der Name greift einen Satz der mexikanischen Dichterin Susana Chávez auf: „Ni una mujer menos, ni una muerta más (Nie eine Frau weniger, noch eine tote Frau mehr)“. Sie hatte die Feminizide angeprangert, die in ihrer Heimatstadt Ciudad Juárez verübt wurden und in der sie an den Folgen starb.Nach einigen Episoden der Gewalt mobilisierten Menschen auf der Straße, um gegen den Femizid von Chiara Paez zu protestieren, einem vierzehnjährigen schwangeren Mädchen, das von ihrem Freund in Santa Fè zu Tode geprügelt und am nächsten Tag (15. Mai 2015) im Krankenhaus aufgefunden wurde starker sozialer Vorstoß für die Zukunftsbewegung. Am 3. Juni 2015 fand die erste Demonstration statt, deren Organisationskomitee aus gut vernetzten Journalistinnen, Akademikerinnen und Aktivistinnen bestand. Die Zusammensetzung der Gruppe war im Bezug auf politische Ausrichtung und Zugehörigkeiten sehr divers. Durch funktionierende Vernetzungs- und Kommunikationsstrukturen konnte Ni Una Menos schnell vielfältige Bevölkerungsschichten ansprechen und mobilisieren. An dieser Demonstration nahmen 300.000 Teilnehmende teil. Sie fand auf der Plaza del Congreso in Buenos Aires statt. In der Folge fanden weitere Demonstrationen landesweit in mehr als 100 Städten statt. Rasch wurden die Massenproteste zu einer transnationalen, feministischen Bewegung, die durch globale Frauenstreiks am Internationalen Frauentag 2017 und 2018 fortgesetzt wurden. Die Proteste breiteten sich sofort von Mexiko bis Uruguay aus und erreichten Länder wie Südkorea und Polen. Dies löste einen Zyklus von Massenprotesten in Lateinamerika und darüber hinaus aus, einschließlich der Globalen Frauenstreiks am Internationalen Frauentag 2017 und 2018. Bis 2018 hatte sich Ni Una Menos auf mindestens sechshundert Städten weltweit ausgedehnt. (Wikipedia)

Diese Seite verwendet u. a. Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung