Der Bezirk hat entschieden: Das ehemalige Schwesternwohnheim der Charité in der Habersaathstraße 40-48 soll abgerissen werden. Mieter*innen und ehemalige Obdachlose, die im Dezember 2021 leer stehende Wohnungen besetzt hatten, protestieren gegen den Abriss. Erst 1981 war das Gebäude erbaut worden, 2008 wurde es umfassend – auch energetisch – modernisiert und beherbergt auf dem Dach seitdem sogar eine Photovoltaik-Anlage.
Lokaltermin am 27. Juni 2022 in Berlin-Mitte: Während der grüne Bezirksbürgermeister von Dassel die Bedingungen der Abrissgenehmigung aushandelt, wird draussen gegen den Abriss demonstriert.
Seit Jahren tobt ein Kampf um den Gebäudekomplex mit 91 Wohnungen in der Habersaathstrasse. Die praktischen 1 oder 2 Zimmerwohnungen sollen abgerissen werden und sollen einem Neubau mit Luxuswohnungen weichen. 2006 wurde der Straßenzug von der Stadt für lächerliche 2 Millionen Euro zum ersten Mal verkauft, 2008 umfassend – auch energetisch – modernisiert und schließlich 2017 für 20 Millionen Euro weiterverkauft.
Die neue Eigentümerin, Arcardia Estates, ließ Wohnungen leer stehen, vernachlässigte die Instandhaltung und tat alles dafür, die Mieter*innen rauszuekeln, um die Gebäude abreißen zu können.
Nachdem zahlreiche Wohnungen in den Häusern teilweise 10 Jahre lang leer standen, wurden sie im Dezember 2021 von obdachlosen Menschen besetzt und geben den neuen Bewohner*innen seitdem Schutz vor der Kälte und Gewalt der Straße und auch vor dem grassierendem Corona-Virus.
Zusammen mit den letzten verbliebenen Bewohner*innen fordern sie heute wieder: Keine Räumung der Bewohner*innen, kein Abriss und eine Rekommunalisierung der Häuser.
Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots? Fehlanzeige!
Während Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Bündnis 90/Die Grünen) drinnen verhandelt und der Bezirk einen Tag später die Abrissgenehmigung erteilt, fragt sich jeder normal denkende Mensch, warum es überhaubt ein Genehmigungsverfahren braucht, wenn die Immobilienbesitzerin ihren Abrisswunsch trotz aller Widersprüche am Ende durchsetzen kann.
- Es spielt offenbar keine Rolle, dass sich der Senat vorgenommen hat, die Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen.
- Es spielt offenbar auch keine Rolle, dass die Häuserzeile, schon heute moderne Klimastandards erfüllt, und Abriss und Neubau knappe Baumaterialen verschlingen, obwohl sich der Senat Ressourcenschonung und Klimaneutralität auf die Fahnen geschrieben hat.
- Es spielt daneben offenbar auch keine Rolle, dass die Vermieterin jahrelang gegen das Zweckentfremdungsverbotsgesetz verstoßen hat und völlige intakte, bezahlbare Wohnungen in der Innenstadt hat leer stehen lassen, um von Preisanstiegen im Berliner Wohnungsmarkt zu profitieren.
In der am Folgetag veröffentlichten Pressemitteilung heißt es, der Senat sei rechtlich gezwungen gewesen, die Abrissgenehmigung zu erteilen. Es ist ein weiteres Beispiel dafür:
- wie sehr die deutsche Rechtsauslegung versagt, die Menschen, das Gemeinwohl und die Umwelt zu schützen und
- dass das aktuelle Zweckentfremdungsverbotsgesetz nicht ausreicht, den Leerstand in Berlin zu bekämpfen und Vermieter*innen, die dagegen verstoßen, zur Rechenschaft zu ziehen.
All das muss sich dringend ändern. Solidarität mit den Bewohner*innen der Habersaathstraße! Der Kampf geht weiter.