12 Tage und Naechte – Nordvietnam im Bombenhagel. “Weihnachtsgrüße besonderer Art” aus den USA, der Vormacht der “christlich-westlichen” Wertegemeinschaft! Nicht vergessen, um aus der Geschichte zu lernen !(Peter Vlatten)
ein Beitrag von Cathrin Karras, Historikerin , Vietnam 9.Dez. 2022
Fuer viele aeltere Einwohner Hanois steht Ende Dezember ein Ereignis im Mittelpunkt, das sie niemals vergessen werden. Um die Weihnachtstage herum gedenken sie der Freunde und Verwandten, die vor 50 Jahren ums Leben kamen – im Dezember 1972, als die USA die groessten Luftangriffe jenes Krieges flogen, den man in Vietnam den Amerikanischen Krieg nennt. Die von der US Airforce als Linebacker II bezeichnete Operation ging als “Weihnachtsbombardement” in die Geschichte des Krieges ein.
Es sollte die letzte US-amerikanische Militaeraktion des Krieges werden, und Praesident Nixon, der gerade mit dem Versprechen, den Krieg zu beenden, in einem erdrutschartigen Sieg seine Wiederwahl errungen hatte, wollte das Schlachtfeld als Sieger verlassen. Was der Oeffentlichkeit schon damals als “chirurgische Operation” verkauft wurde, war fuer die Bevoelkerung Hanois und Haiphongs ein zwoelftaegiger Albtraum nahezu pausenlosen Bombardements. Vom 18. bis zum 29. Dezember luden Hunderte amerikanische Flugzeuge in 3.000 Angriffen ihre toedliche Fracht ueber den nordvietnamesischen Grossstaedten ab.
Nixon bestand darauf, dass sich die Angriffe ausschliesslich gegen militaerische Ziele richteten. Fotos und Filmaufnahmen zeigten jedoch schnell eine andere Wahrheit. Bei den fast zweiwoechigen Bombardierungen wurden in Hanoi 2.385 Zivilisten getoetet, weitere 1.355 verletzt. Das groesste Krankenhaus Nordvietnams, das Bạch Mai Hospital, wurde durch Bomben schwer getroffen. Das Hauptgebaeude stuerzte ein. Patienten, Schwestern und Aerzte wurden unter seinen Truemmern begraben. 28 Menschen, darunter ein achtjaehriges Maedchen, verloren ihr Leben. Allein bei einem Angriff in der Nacht vom 25.12. auf den 26.12.1972 wurden 287 Menschen getoetet als die Khâm Thiên Strasse, eine der am dichtesten besiedelten Strassen Hanois, mit Sprengbomben dem Erdboden gleich gemacht wurde. Haetten die Behoerden nicht vorsorglich einen grossen Teil der Bevoelkerung Hanois, vor allem die Kinder, evakuiert, waere die Zahl der Opfer noch viel hoeher gewesen. Aus Sicht Nixons und seines Sicherheitsberaters Kissinger waren diese Opfer “Kollateralschaeden”, zielten die Angriffe angeblich doch nicht auf die Wohngebiete, sondern auf sogenannte strategische Ziele: die Rundfunkstation, Eisenbahnanlagen, Flugfelder, Treibstoffdepots ….
Ziel der USA war es, damit die eigene Position in den Friedensgespraechen mit Nordvietnam zu verbessern. Ein zynischer Aspekt – hatten doch die Verhandlungen zwischen den USA und der Demokratischen Republik Vietnam bereits im Oktober 1972 ein unterschriftsreifes Neun-Punkte-Abkommen ergeben, in dem die Bedingungen zur Beendigung des Krieges festgeschrieben worden waren. Mit diesen letzten Bombardierungen konnten die USA trotz des enormen Militaereinsatzes ihre Niederlage nicht verhindern. Der Widerstandswille der Menschen in Vietnam war ungebrochen. Viele Flugzeuge wurden abgeschossen. 33 B52-Bomber kehrten nicht in ihre Ausgangsstellungen zurueck. Gleichzeitig schwoll in Europa und den USA die Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg nochmals zu einem Sturm der Entruestung an. Die USA mussten schliesslich einlenken und am 27.Januar 1973 das “Pariser Abkommen” ueber die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam unterzeichnen. Damit waren die Weichen fuer den endgueltigen Rueckzug des US-Militaers aus Vietnam gestellt.
Es ist gerade heute nicht abwegig, sich daran zu erinnern. Stand der Vernichtungskrieg gegen Nordvietnam fuer den “Kampf gegen den Kommunismus” und dessen Vormarsch in Asien, so galten die Feldzuege mindestens gleicher Intensitaet gegen Afghanistan, Irak, Libyen usw. dem weltweiten “Kampf gegen den Terrorismus”. Die Parolen haben sich geaendert, nicht aber die Methode und auch nicht die mit brutaler militaerischer Gewalt demonstrierte Ueberzeugung Washingtons, auserkoren zu sein, den Lauf der Welt zu bestimmen.
Wir danken Cathrin für die Publikationsrechte