Gedenken an die Opfer des Rechtsterrorismus

Bologna 2. August 1980 / Mücnhen 26. September 1980

Auf Einladung der A.N.P.I., der Organisation der antifaschistischen Partisanen Italiens, fand am Mittwoch, dem 2. August auf dem Wittenbergplatz eine Gedenkaktion statt, die den Opfern des Attentats in Bologna vom 2. August 1980 gewidmet war. Auch der Berliner Landesverband der VVN BdA, der deutschen Schwesterorganisation der A.N.P.I., hatte zu diesem Gedenken eingeladen. Zeitgleich fand auch in Bologna ein öffentliches Gedenken statt, das von den betroffenen Opferfamilien seit 1980 jährlich organisiert wird. Es begann um 10.25 Uhr, dem Zeitpunkt der Bombenexplosion. Auch der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella sprach am Tatort, dem Bahnhof der Stadt.

Der Anschlag von Bologna (italienisch Strage di Bologna) war ein Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof Bolognas am Morgen des 2.August 1980. Bei dem Anschlag starben 85 Menschen, mehr als 200 wurden verletzt. Nach sechs Jahren Ermittlung konnte Untersuchungsrichter Felice Casson nachweisen, dass es sich bei den Tätern um Neofaschisten handelte, die Kontakte zum italienischen Militärgeheimdienst pflegten. Beide waren auch über die sog. P2 (Propaganda Due), einer Geheimorganisation, in der sich Führungspersönlichkeiten aus Politik, Militär, Wirtschaft und Geheimdienst bis hin zur Mafia zusammenfanden, verbunden. Gemeinsam versuchten sie durch eine sog. „Strategie der Spannung“ (Organisation von Chaos und Angst) die gesellschaftliche Machtposition der starken Linken Italiens mit terroristischen Mitteln zu zerstören.

Nur einige Wochen später kam es auch in Deutschland zu einem terroristischen Anschlag, in den womöglich ähnliche Kräfte verwickelt waren. Es war der Anschlag auf das Oktoberfest am 26. September 1980 in München. Durch die Explosion einer handgefertigten Bombe wurden 13 Personen getötet und 221 verletzt, 68 davon schwer. Der Anschlag war der bis heute schwerste Terrorakt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. In Wikipedia heißt es dazu: „Als Täter wurde Gundolf Köhler ermittelt, der selbst bei dem Anschlag starb. Er war Mitglied der neonazistischen Wiking-Jugend und der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) gewesen. Nach dem Abschlussbericht der Ermittler vom November 1982 plante und verübte Köhler den Anschlag jedoch allein und aus persönlichen Motiven, eventuell als erweiterten Suizid. Diese Einzeltäterthese wurde seitdem kontinuierlich bestritten. Zeugenaussagen und nicht weiterverfolgte Spuren verwiesen auf mögliche rechtsextreme Mittäter. Vom 11. Dezember 2014 bis 7. Juli 2020 ermittelte die Bundesanwaltschaft erneut zu dem Fall und stellte abschließend fest: Die Tat war eindeutig ein rechtsextremer Terrorakt, mit dem Köhler die Bundestagswahl 1980 beeinflussen, dem Kandidaten der Unionsparteien Franz Josef Strauß ins Kanzleramt verhelfen und letztlich einen „Führerstaat“ nach dem Vorbild des NS-Staates erreichen wollte. Anstifter, Mitwisser und Mittäter Köhlers ließen sich weder beweisen noch ausschließen. Fehler der ersten Ermittlungskommission wurden nicht aufgeklärt.“

Die letzte wirklich ergiebige Buchveröffentlichung zu diesem Thema („Oktoberfest – Das Attentat. Wie die Verdrängung des Reschtsterrors begann“, Chr. Links Verlag 2014) stammt von Ulrich Chaussy, der sich am längsten und intensivsten mit den Hintergründen des Attentats befasst hat. Bis heute steht eine wirkliche überzeugende Aufklärung des Terroranschlags aus. Ähnlich wie später beim NSU existieren in der Gerichtsbarkeit nur isolierte Einzeltäter. Deren politische Einbindung und ihr Unterstützernetz bleiben weitgehend im Dunkeln.

Was Bologna betrifft, so ist in Deutschland weitgehend unbekannt, dass auch drei Deutsche Opfer des rechten Terrors wurden. Während diese hier zu Lande kaum ein Thema waren, wurden in Italien nach den beiden getöteten Kindern in Bologna eine Schule benannt.

Auch diesen Opfern zu gedenken war der Schwerpunkt der kleinen Aktion am Wittenbergplatz. Ihr Schicksal findet sich in der folgenden Recherche, die in Italienisch und Deutsch verlesen wurde.

MARGRET ROHRS MADER (39 Jahre)
ECKHARDT MADER (14)
KAI MADER (8 Jahre)

Horst Mader, ein Fabrikarbeiter, verlor seine Frau Margret und zwei Söhne: Kai und Eckhardt. Ein weiterer Sohn, Holger, erlitt Frakturen am ganzen Körper. Der Vater ist immer noch bei dem 16-jährigen Jungen, der der einzige ist, den er noch hat und den er selbst kurz nach der schrecklichen Explosion aus den Trümmern gezogen hat. Es war der erste Urlaub, den Horst seit seiner Heirat vor siebzehn Jahren gemacht hatte. Als Eisenbahner mit einer großen Familie hatte Horst sich nie viel gegönnt: nach so vielen Jahren und mit Kindern im richtigen Alter hatte er sich für den ersten Urlaub entschieden. Sie hatten sich für Lido di Pomposa an der Riviera von Ferrara entschieden. Hier hatten sie 15 Tage in einem Gästehaus verbracht. Nach den Ferien nahmen sie in Ferrara einen Zug und stiegen in Bologna in einen Anschlusszug um. Am Bahnhof angekommen, mussten sie zwei Stunden warten. Gerade genug Zeit, um sich die Stadt anzuschauen. Der Wartesaal der ersten Klasse war sehr voll, es herrschte ein gewisses Durcheinander: Die Mutter und die beiden Söhne saßen auf einem Sofa, der Vater und der andere Junge etwas weiter weg. Horst beschloss daraufhin, mit seinen Eltern einen Spaziergang in Richtung Zentrum zu machen. Aber zuerst wollte er einen großen Koffer in den nahe gelegenen Gepäckraum bringen. Kaum hatte er die Schwelle überschritten, gab es eine gewaltige Explosion. Er versuchte, zu seinen Eltern zurückzulaufen, aber vor ihm lag nur ein Trümmerhaufen, also ging er auf die gegenüberliegende Seite, durchquerte die Schalterhalle und schaffte es auf der Seite der Piazza Medaglie d’Oro irgendwie, die Reste des Warteraums zu erreichen. Er rief seine Leute, suchte und grub mit den Händen: aus einem Trümmerhaufen erblickte er Holger, der noch lebte. Er grub mit den Händen und zog ihn aus den Trümmern heraus. Kurze Zeit später fand er die anderen. Zuerst Kai, jetzt leblos, dann seine Frau und Eckhardt, vor dem er das Bewusstsein verlor. Als er bewusstlos aufgefunden wurde und als traumatisiert galt, wurde er ins Hotel Rizzoli gebracht, wo kurz darauf auch sein Sohn Holger eintraf, der zunächst nach S. Orsola gebracht worden war. Am frühen Nachmittag bat Horst darum, seine Eltern zu sehen: Er wollte in alle Krankenhäuser gehen. Die Kleidung, die er trug, war in Fetzen. Im Rizzoli gab man sich alle Mühe, ihm zu helfen. Die Geschäftsleitung gab ihm 300.000 Lire, damit er sich neue Kleidung kaufen konnte. Horst und ein Arzt, der gut Deutsch sprach, begannen mit der Krankenhausführung. Aber Margret, Eckhardt und Kai waren nicht mehr da.

Am Schluss des Gedenkens wurden noch gemeinsam an nahegelegenen Stolpersteinen von Opfern des deutschen Faschismus frische Blumen niedergelegt.

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