Deutsches Beamtenstreikverbot verstößt weiter gegen die Europäische Sozialcharta

Am 14. Dezember 2023 wurde die Entscheidung der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) zum Beamtenstreikrecht veröffentlicht. Danach soll das Verbot des Streiks von Lehrerinnen und Lehrern nicht gegen Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen. Das Verbot verstößt aber weiterhin gegen die Europäische Sozialcharta, wie der zuständige internationale Sachverständigenausschuss in einem Bericht des Jahres 2022 erklärte. Diese Erklärung gilt weiterhin.

Der Gerichtshof EGMR räumt dazu ein: “In Bezug auf die Argumente der Kläger zum internationalen Arbeitsrecht stellte der Gerichtshof Folgendes fest: Deutschlands Ansatz, Streiks für alle Beamten, wie die Kläger, zu verbieten, stimmt nicht dem internationalen Trend überein. Internationale Überwachungsgremien hatten dieses statusbezogene Verbot in Deutschland wiederholt kritisiert.[1]Pressemitteilung des Kanzlers des EGMR Der Gerichtshof (EGMR) weist sodann darauf hin, dass er nicht auf der Grundlage der Europäischen Sozialcharta entschieden hat. Die internationale Kritik auf der Grundlage dieser Charta an dem deutschen Streikrechtsverbot für alle Beamtinnen und Beamte bleibt also auch nach der Auffassung des Gerichtshofes (EGMR) bestehen.

Wir bleiben dabei: Das noch aus der Kaiserzeit stammende deutsche Streikverbot für alle Beamtinnen und Beamte darf keinen Bestand haben. Sonst dehnt es sich noch über ganz Europa aus. Es muss dagegen hier in Deutschland verstoßen werden. Dieses Streikverbot muss beendet werden. Es ist nicht einzusehen, dass Lehrerinnen und Lehrer eines der wichtigsten demokratischen Rechte verwehrt wird. Demokratie ist keine Feierabendveranstaltung – auch nicht für Lehrerinnen und Lehrer.

In Frankreich sind Streiks von Lehrerinnen und Lehrern nicht verboten[2]siehe als Beispiel auch Spiegelbericht. Das ist übrigens mit Artikel 11 EMRK vereinbar. Frankreich ist eben nur freier. Wir bleiben dabei: Was in Frankreich erlaubt ist, darf in Deutschland nicht verboten sein.

Die Junge Welt vom 14. Dezember 2023 berichtete, dass der britische Dachverband der Gewerkschaften auf einem Kongress Kampfmaßnahmen gegen die Einschränkungen des Streikrechts durch die Regierung der Tories beschloss: „Der Kongress votierte einstimmig dafür, das Gesetz nicht umzusetzen. Gewerkschaften werden ihren Mitgliedern nicht sagen, die Streikposten zu verlassen, wie es vom neuen Gesetz gefordert wird.“[3]Junge Welt vom 14. Dezember 2023 Der Vorsitzende des TUC Nowak: »Die Regierung startet einen der größten Angriffe aller Zeiten auf Gewerkschaftsrechte. Aber lasst uns klarstellen: Gewerkschaften sind die letzte Bastion für Arbeiter. Wir werden diese ungerechtfertigte Gesetzgebung mit aller Kraft bekämpfen.« In dem Bericht der Jungen Welt heißt es weiter: „Wo Gewerkschaften aufgrund der neuen Gesetze mit Sanktionen konfrontiert werden, hohe Geldstrafen und die Beschlagnahmung von Vermögenswerten drohen, soll es »praktische, rechtliche, finanzielle und/oder politische Unterstützung« geben, die durch ein Sonderkomitee des TUC koordiniert wird.“[4]Junge Welt vom 14. Dezember 2023.

Siehe auch die Grußbotschaft an die britischen Gewerkschaften der Kampagne RechtAufStreik.


Zu den einzelnen Veröffentliichungen:

In einer Pressemitteilung fasste der Kanzler des Gerichtshofes (EGMR) die Entscheidung zusammen: Pressemitteilung des Kanzlers des EGMR

Die gesamte Begründung der Entscheidung des EGMR in Englisch ist hier nachzulesen[1]. Sehr interessant sind die Stellungnahmen von zwei Richtern, die der Begründung angehängt sind. Richter Ravarani stimmte zwar der Entscheidung zu, äußerte aber erhebliche Bedenken, was die Begründung angeht: Stellungnahme des Richters Ravarani. Richter Serghides lehnte die Entscheidung der Mehrheit ab, weil er Art. 11 der Europäischen Menschenrechts-konvention (EMK) verletzt sah; er begründete dies in einer gesonderten ausführlichen Stellungnahme: Stellungnahme des Richters Serghides.

Die GEW nahm in einem Video zu dieser Entscheidung des EGMR Stellung: Stellungnahme der GEW

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