Das Übel der kleineren Übel

Die US-Wahlen zeigen, dass mit einer Verteidigung des »liberalen« Status quo die Faschisierung nicht zu stoppen ist, glaubt Raul Zelik

Obwohl in meinem Bekanntenkreis nur eine einzige Person in den USA abstimmen durfte (die Kamala Harris am Ende übrigens auch als kleineres Übel nicht gewählt hat), habe ich in den vergangenen Wochen viel über die Präsidentschaftswahlen diskutiert. Das ist alle vier Jahre so und letztlich ziemlich absurd, denn ob wir uns in Deutschland zu dieser oder jener Kandidat*in bekennen, ist für die dortige politische Entwicklung völlig irrelevant.

Wenn ich trotzdem noch einmal Argumente zu der Frage aufschreibe, warum Linke Politiker*innen wie Kamala Harris nicht unterstützen sollten, dann deshalb, weil diese Debatte auch für die politischen Konflikte Bedeutung besitzt, die bei uns anstehen und in denen wir, anders als im US-Wahlkampf, sehr wohl eine Rolle spielen.

»Schicksalswahl«?

Nicht wenige in meinem Bekanntenkreis, aber auch in der Redaktion des »nd« haben den vergangenen Dienstag als »Schicksalswahl« bezeichnet. Aus ihrer Sicht trafen bei der Wahl zwei große Alternativen aufeinander: eine schwarze Frau, die angeblich gleiche Rechte für alle verteidigte, und ein weißer Milliardär, der Rassismus und Misogynie normalisiert. Ein Sieg von Trump werde die autoritäre Rechte weltweit stärken, während »Kamala« – viele wechselten bei der Debatte gleich zum vertraulichen Du – für ein progressives Amerika stehe. Wenn ich daraufhin einwandte, dass die demokratische Präsidentschaftskandidatin eben gerade nicht für ein progressives Projekt, sondern wie Trump für Konzernpolitik, polizeiliche Repression, Masseninhaftierung und die Bereitschaft zum imperialistischen Krieg stehe, warf man mir vor, den Faschismus zu verharmlosen. Selbst wenn wahr sei, was ich behauptete, und es sich bei Harris tatsächlich um eine bürgerliche Neoliberale à la Christian Lindner handele, müsse man sie unterstützen, weil grundsätzlich ein Wahlsieg von Rechtsextremen zu verhindern sei. Auch gemeinsam mit Neoliberalen und Konservativen.

Für dieses Argument spricht aus meiner Sicht einiges. So hat mir in Frankreich immer eingeleuchtet, dass die Linke bei Stichwahlen zu einer Stimmabgabe »gegen Le Pen« aufgerufen hat. Allerdings ist kaum davon auszugehen, dass wir in Anbetracht eines drohenden AfD-Wahlsiegs in Deutschland die Vorzüge von »Friedrich«, »Olaf« oder »Robert« feiern würden. Der Aufruf für »eine Stimme gegen den Faschismus« sieht anders aus als die Unterordnung unter eine bürgerliche Politik.

Im Zusammenhang mit den US-Wahlen stellt sich allerdings zunehmend die Frage, ob das Argument des kleineren Übels, mit dem man regelmäßig aufgerufen wird, das Schlimmste zu verhindern, nicht allmählich erschöpft ist. Der Fall Kamala Harris zeigt vielleicht ganz gut, worin das Problem dabei besteht.

Wenn man sich die Ergebnisse der US-Wahlen anschaut, stellt man fest, dass Donald Trump im Vergleich zu 2020, als er die Wahlen verlor, keine Stimmen hinzugewann. Die krachende Niederlage der Demokraten hat allein damit zun tun, dass die Demokraten massiv verloren: Etwa 10 Millionen Wähler*innen, die 2020 – viele von ihnen wohl schon damals zähneknirschend – für Joe Biden als das kleinere Übel stimmten, sind diesmal zu Hause geblieben.

Junge, Niedrigverdiener, Hispanics

Auch wenn Wähleranalysen in den USA interessanterweise schlechter zu bekommen sind als in Deutschland, weiß man, wo Harris besonders klar an Boden verloren hat: bei jungen Wähler*innen, Niedrigverdienern und Hispanics. Das hat viele Ursachen, aber zwei stechen hervor: Zum einen hat sich die wirtschaftliche Lage gerade für Niedrigverdiener seit 2021 weiter verschlechtert. Bei einer Umfrage des Fernsehsenders NBC äußerten 45 Prozent der Befragten, es gehe ihnen schlechter als vor vier Jahren – nicht zuletzt wegen der galoppierenden Inflation. Zum anderen hat die Unterstützung von Israels Krieg in Gaza, den viele progressive oder nichtweiße Nordamerikaner*innen als rassistischen Feldzug gegen den globalen Süden lesen, Millionen von der Demokratischen Partei entfremdet. Außenpolitik spielt in der US-Politik zwar nur eine kleine Rolle, doch in den aktivistischen Teilen der Bevölkerung, die sich selbst in Wahlkämpfen engagieren, hat das Thema eine große Rolle gespielt.

»Während die demokratische Parteiführung den Status quo verteidigt, ist das amerikanische Volk wütend und möchte Veränderung.«Bernie Sanders

Mir ist klar, welches Argument jetzt folgt: »Aber das alles wird unter Trump jetzt doch noch viel schlimmer.« Das stimmt – die soziale Lage der Armen wird sich durch die Steuererleichterungen für Reiche weiter verschlechtern, Netanjahu hat freie Hand, um einen Regionalkrieg gegen den Iran vom Zaun zu brechen und die Region in Absprache mit den korrupten Öl-Autokratien neu zu ordnen, und in den USA wird das Bekenntnis zum Rassismus jetzt zur Staatsräson.

Nichtsdestotrotz stimmt umgekehrt aber eben auch: Unter der Demokratischen Partei hat sich in den vergangenen vier Jahren in den entscheidenden Fragen nichts zum Besseren verändert. Zwar hat Biden ein gewaltiges Infrastrukturprojekt in Höhe von 550 Milliarden US-Dollar auf den Weg gebracht. Doch von den Staatsausgaben haben die Ärmeren offenbar nicht profitiert. Der links-sozialdemokratische Senator Bernie Sanders, der im Wahlkampf loyal für Harris warb, benannte das Problem nach der Wahlniederlage sehr klar: »Es sollte nicht besonders überraschen, dass eine Demokratische Partei, die die Arbeiterklasse im Stich gelassen hat, jetzt feststellen muss, von der Arbeiterklasse verlassen worden zu sein. Während die demokratische Parteiführung den Status quo verteidigt, ist das amerikanische Volk wütend und möchte Veränderung.«

Der Status Quo als Treiber der Faschismus

Offenbar besteht das Problem darin, dass der liberal-kapitalistische Normalzustand, für den die Demokratische Partei steht, selbst jene faschistoide Entwicklung produziert, die es zu bekämpfen gilt. Ein paar Beispiele: Unter Biden sind die Vorbereitungen für die – auch militärische – Konfrontation mit China weitergegangen. Der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze hat diese Woche im »Politics Theory Other«-Podcast berichtet, dass in Washington mittlerweile mit größter Selbstverständlichkeit Szenarien eines Zwei-Fronten-Kriegs in Korea und Taiwan durchgespielt werden. Gleichzeitig praktiziert Israel, wichtigster US-Verbündeter in Nahost, mit Rückendeckung aus Washington einen Staatsterrorismus, der dem Putins im Tschetschenien-Krieg der 2000er Jahre in nichts nachsteht.

Innenpolitisch ist die Zahl der Polizeimorde unter Präsident Biden nicht nur weiter gestiegen, sondern sogar etwas schneller, als es unter Trump der Fall war, wie die Initiative »Mapping Police Violence« feststellte. Ähnlich verhält es sich mit der Kriminalisierung von Migrant*innen: Das »Migration Policy Institute«, das die Zahl der landesweiten Abschiebungen erfasst, stellte in einem Bericht vor wenigen Monaten fest, dass unter der Biden-Administration genauso viele Einwanderer deportiert wurden wie zuvor unter Trump – nämlich etwa 1,5 Millionen Menschen in vier Jahren. Gleichzeitig ist der Mindestlohn von sieben Dollar die Stunde seit 2009 nicht angehoben worden, obwohl die Demokraten in dieser Zeit mit einer einzigen Unterbrechung durchgängig regierten. Inflationsbereinigt liegt der Mindestlohn damit um 45 Prozent niedriger als Ende der 60er Jahre.

Was ich sagen will: Was Rhetorik, Diversität und symbolische Anerkennung angeht, liegen zweifelsohne Welten zwischen Kamala Harris und Donald Trump. Doch gleichzeitig zeigt sich eben auch, dass die Wahl des kleineren Übels die strukturellen und materialistischen Probleme nicht löst. Die Wahl von Präsidenten der Demokratischen Partei hat sich in den vergangenen 16 Jahren als ungeeignet erwiesen, die faschistoide Entwicklung zu stoppen, weil diese von den sozialen und ökonomischen Verhältnissen (und nicht von den Wahlen) in Gang gesetzt und vorangetrieben wird.

Wen ich an Theoretiker*innen in den letzten Monaten für das »nd« auch gesprochen habe – die Albanerin Lea Ypi, die US-Amerikaner*innen Ruth Wilson Gilmore und Natasha Lennard, den Jenaer Soziologen Klaus Dörre oder die Italiener Alberto Toscano und Enzo Traverso –, sie alle haben betont, dass es einer Alternative von links bedarf, um den Faschismus zu stoppen. Wer sich hinter eine Politik des bürgerlichen »Weiter so« schart und die sozialen Ungleichheits- und Ausgrenzungsverhältnisse nicht als Motor der Faschisierung begreift, kann nur scheitern.

Wie gesagt: Es ist wenig relevant, ob uns in Deutschland Kamala Harris und die Demokratische Partei gefallen. Aber es nicht egal, wie wir uns im eigenen Land positionieren. Und hier sollten wir erkennen, dass die »Verteidigung von Rechtsstaat, Demokratie und offener Gesellschaft« (womit in der Regel die Bewahrung von Status quo und Eigentumsverhältnissen gemeint ist), als antifaschistische Strategie ungeeignet ist.

Bernie Sanders hat recht: »Die Leute sind wütend und sie wollen Veränderung.« Solange von links keine glaubwürdige Alternative von Gleichheit, Internationalismus und Solidarität aufgezeigt wird, die im Leben der Menschen einen echten Unterschied macht, wird es die extreme Rechte sein, die vom rasanten Zerfall der herrschenden Weltordnung profitiert.

Erstveröffentlicht im nd v. 11.11. 2024
https://www.nd-aktuell.de/profile/ (Abo)

Wir danken für das Publikationsrecht.

BlackRock-Boss Larry Fink: Egal, wer gewinnt, Gewinnerin ist die Wall Street!

06. November 2024

Von Ben Norton

Bild: (Screenshot Scheerpost)

Larry Fink, der milliardenschwere CEO von BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, sagte, es sei „wirklich egal“, wer die US-Präsidentschaftswahl gewinne, denn sowohl Donald Trump als auch Kamala Harris seien gut für die Wall Street.

„Ich bin es leid zu hören, dass dies die größte Wahl in Ihrem Leben ist. In Wirklichkeit spielt das mit der Zeit keine Rolle„, sagte BlackRock-Chef Larry Fink auf einer Konferenz der «Securities Industry and Financial Markets Association» am 21. Oktober, wie die Financial Times berichtet. “Es spielt wirklich keine Rolle“, wiederholte Fink. Er gab bekannt, dass BlackRock ‚mit beiden Regierungen zusammenarbeitet und mit beiden Kandidaten Gespräche führt‘.

BlackRock verwaltet ein Vermögen von 11,5 Billionen US-Dollar (also 11.500 Milliarden, Red.) und ist damit die größte Investmentgesellschaft der Welt.

BlackRock hat eine Drehtür zur US-Regierung. Ehemalige Mitarbeiter des Vermögensverwalters haben hochrangige Positionen im Finanzministerium der Regierung Joe Biden inne. Ein leitender Angestellter von BlackRock war ebenfalls als prominenter Wirtschaftsberater für Kamala Harris tätig. Trumps Finanzministerium wurde hingegen von Steven Mnuchin geleitet, dem ehemaligen „Chief Information Officer“ von Goldman Sachs, der als Hedgefonds-Manager ein Vermögen gemacht hat.

Als Präsident senkte Trump die Steuern für Reiche erheblich, sodass Milliardäre weniger Steuern zahlen als die Arbeiterklasse. Die 400 reichsten Familien in den USA zahlten 2018 einen durchschnittlichen effektiven Steuersatz von 23 %, was niedriger war als der Durchschnittssatz von 24,2 %, den die unteren 50 % der Haushalte zahlten.

Trump hat versprochen, die Steuern für Reiche weiter zu senken. Eine Analyse der Steuervorschläge von Trump durch das Institute on Taxation and Economic Policy ergab, dass sie äußerst regressiv wären: Die reichsten 5 % der Amerikaner würden eine Steuersenkung von mindestens 1,2 % erhalten, während die unteren 95 % der Bevölkerung mehr zahlen müssten, einschließlich einer Steuererhöhung von 4,8 % für die ärmsten 20 % des Landes.

Einer der Hauptgeldgeber für Trumps Präsidentschaftskampagnen in den Jahren 2024 und 2020 ist der milliardenschwere CEO von Blackstone, Stephen Schwarzman, der 2022 zum bestbezahlten Vorstandsvorsitzenden in der US-Finanzdienstleistungsbranche gekürt wurde. Schwarzman ist ein Großspender der Republikanischen Partei und war im Wahlzyklus 2020 der größte Geldgeber für politische Kampagnen an der Wall Street.

Blackstone ist der weltweit größte alternative Vermögensverwalter und der größte gewerbliche Vermieter der Welt. Die Investmentgesellschaft besitzt und verwaltet mehr als 300.000 Mietwohnungen in den USA. Blackstone hat in zahlreichen Bundesstaaten Eigenheimbesitzer zwangsgeräumt und damit zu einer wachsenden Obdachlosenkrise beigetragen, die 2023 um 12 % zunahm.

Der Guardian fasste kurz und bündig zusammen, wie mächtig Blackstone geworden ist:

Blackstone ist der größte gewerbliche Vermieter der Geschichte. In den letzten zwei Jahrzehnten hat das Unternehmen still und leise die Kontrolle über Wohnblöcke, Pflegeheime, Studentenwohnheime, Eisenbahnbögen, Filmstudios, Büros, Hotels, Logistiklager und Rechenzentren übernommen. Blackstone besitzt nicht nur Immobilien, sondern alles – oder zumindest fühlt es sich so an, wenn man beginnt, die verwirrende Vielfalt seiner Vermögenswerte zu untersuchen. Wenn Sie eine Spanx tragen (eine Modemarke), sich jemals mit jemandem auf Bumble (eine Dating-Plattform) verabredet haben, in einem Hilton-Hotel oder einem CentreParcs-Resort übernachtet haben, Legoland, Madame Tussauds, den London Dungeon oder einen älteren Verwandten in einem Pflegeheim von Southern Cross besucht haben, sind Sie einem Unternehmen begegnet, das Teil des Blackstone-Imperiums ist oder kürzlich Teil des Blackstone-Imperiums wurde.

Der Aufkauf von Wohnimmobilien durch US-Investoren hat zu einem explosionsartigen Anstieg der Immobilienpreise geführt und das Eigenheim von Familien zu einem spekulativen Vermögenswert gemacht, anstatt zu einem Ort zum Leben. Die Kosten für Wohnraum in den USA sind in den letzten zehn Jahren deutlich schneller gestiegen als die Löhne. Die Immobilienblase, die 2008 platzte, wurde nach 2012 einfach wieder aufgeblasen und ist heute viel größer.

Laut dem Wirtschaftsbericht des Präsidenten von 2024 geben etwa 45 % der US-Haushalte mehr als 30 % ihres Familieneinkommens für Miete aus, über 30 % der Haushalte geben mehr als 40 % ihres Familieneinkommens für Miete aus und fast ein Viertel der Haushalte gibt mehr als 50 % ihres Familieneinkommens für Miete aus.

Obwohl BlackRock und Blackstone unterschiedliche Unternehmen sind, überschneiden sich ihre Geschichten, und BlackRock ist mit 6,56 % der zweitgrößte Anteilseigner von Blackstone. Der größte Anteilseigner von Blackstone ist Vanguard mit einem Anteil von 9,05 %. Der viertgrößte ist State Street mit einem Anteil von 4,12 %. BlackRock, Vanguard und State Street sind im Volksmund als die „Big Three“ der US-Indexfondsmanager bekannt.

Eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 2017 ergab, dass die „Big Three“ die größten Anteilseigner von 438 Unternehmen im S&P 500 waren, einem Index, der aus den 500 größten an US-Börsen notierten Unternehmen besteht. Diese 438 Unternehmen machten 88 % der Gesamtzahl der S&P-500-Unternehmen aus, was 82 % der Marktkapitalisierung des Index zu diesem Zeitpunkt entsprach.

Besitz der „Big Three“ (BlackRock, Vanguard, State Street) an US-Unternehmen, Stand 2017. Die „Big Three“ (BlackRock, Vanguard, State Street) besitzen 88 % der Unternehmen im S&P 500.

Als er 2019 für das Präsidentenamt kandidierte, versprach Joe Biden wohlhabenden Spendern in Manhattan, dass er die Reichen nicht „verteufeln“ werde und dass sich im Falle seines Wahlsiegs „der Lebensstandard von niemandem ändern werde, nichts werde sich grundlegend ändern“.

Die US-Präsidenten, ob Republikaner oder Demokraten, haben dieses Versprechen, den Reichen zu dienen, konsequent eingehalten.

Die obersten 10 % der Menschen in den USA besitzen 93 % der Aktien, während die untersten 50 % des Landes nur 1 % besitzen (Stand 2023). Dies ist die höchste Konzentration von Aktienbesitz in der Geschichte.

Die reichsten 50 % der Amerikaner erhalten 95 % des Kapitaleinkommens. Allein die obersten 10 % erhalten 60 % des Kapitaleinkommens und 90 % des Einkommens aus Finanzanlagen. Eine einflussreiche Studie von Wissenschaftlern der Princeton University und der Northwestern University aus dem Jahr 2014 hat empirisch nachgewiesen, dass die USA eine Oligarchie und keine Demokratie sind. Die Wissenschaftler schrieben:

«Eine multivariate – auf mehreren Statistiken basierende – Analyse zeigt, dass Wirtschaftseliten und organisierte Gruppen, die Geschäftsinteressen vertreten, einen erheblichen Einfluss auf die Politik der US-Regierung haben, während Durchschnittsbürger und massenbasierte Interessengruppen wenig oder keinen unabhängigen Einfluss haben. Die Ergebnisse stützen die Theorien der Vorherrschaft der Wirtschaftselite und des voreingenommenen Pluralismus, nicht jedoch die Theorien der Mehrheitswahl-Demokratie oder des Mehrheitspluralismus.»

Die Wahl 2024 ist mit Ausgaben in Höhe von etwa 16 Milliarden US-Dollar die zweitteuerste in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Diese enorme Summe wurde nur bei der Wahl 2020 übertroffen, die unglaubliche 18,3 Milliarden US-Dollar kostete.

In den letzten zehn Jahren hat sich der Betrag, der für US-Wahlen ausgegeben wurde, von 8,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 in etwa verdoppelt. Warum geben wohlhabende Spender so viel für US-Wahlen aus? Weil sie viel Erfolg damit haben, in Politiker zu investieren. In den letzten zwei Jahrzehnten haben die Kandidaten mit der höchsten Finanzierung in über 90 % der Fälle die Wahlen im Repräsentantenhaus und in etwa 80 % der Fälle die Wahlen im Senat gewonnen.

Zu einem Video mit Ben Norton (in gutverständlichem Englisch) zur gleichen Thematik.

Deutsche Übersetzung entnommen aus GlobalBridge v. 6.11.2024
https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/wp-admin/post.php?post=43510&action=edit

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Trump gewinnt die Wahl: USA reiht sich in Welttrend ein

Oliver Kern meint, dass die Demokraten den Gegenwind der Wirtschaftslage zu spüren bekommen

Von Oliver Kern

Bild: Screenshot Infokuryr

Donald Trump zieht zum zweiten Mal ins Weiße Hause ein, denn überall im Land hat er ein paar Wähler mehr von sich überzeugen können als vor vier Jahren. Die Demokraten hingegen scheitern ein zweites Mal mit dem Versuch, erstmals eine Frau zur Präsidentin zu befördern. Doch die Erklärung, dass die US-Bürger dafür einfach zu frauenfeindlich seien, war schon 2016 zu simpel, als es Hillary Clinton nicht schaffte. Vielmehr reihen sich die USA in einen Welttrend ein: Amtsinhaber und deren Parteien – egal ob links oder rechts – werden in der Folge tiefer persönlicher und wirtschaftlicher Einschnitte durch Coronakrise, kriegsbedingte Inflation und wachsender Einkommensungleichheit abgestraft.

Wie 2016 rutschen auch in den USA zu viele Menschen aus der Mittelklasse ab, können sich das eigene Haus oder den Studienplatz fürs Kind nicht mehr leisten, weil vor allem für Menschen ohne Hochschulbildung zu wenige gut bezahlte Jobs angeboten werden und die Inflation Lohnanstiege noch immer übertrifft. Selbst wenn ein Präsident diese nicht selbst aus dem Boden stampfen kann, vor allem wenn er in vielem vom Parlament blockiert wird, bleibt festzuhalten: Wenn weniger als 40 Prozent der Wähler mit der Arbeit von Joe Biden zufrieden sind und nicht mal ein Drittel meint, die Entwicklung laufe in die richtige Richtung, muss die in absoluten Zahlen relativ knappe Niederlage seiner Vizepräsidentin Kamala Harris fast noch als Erfolg gewertet werden.

Die Wahlen am 5. November 2024 sind für die US-Bürger wie auch den Rest der Welt eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen dieser Zeit. »nd« berichtet über die Stimmung und Probleme im Land, über Kandidaten und ihre Visionen. Alle Texte zur US-Wahl finden Sie hier.

Ihre einzige Chance hatte in der Unbeliebtheit von Trump selbst gelegen. Nur er als verurteilter Straftäter, der von seinen Fans das Kapitol stürmen und von seinen Richtern das Abtreibungsrecht aushöhlen ließ, zudem äußerst schlechte Wahlkampfauftritte hinlegte, hat das Rennen überhaupt so eng werden lassen.

Die dreimonatige Kandidatur von Harris war so fehlerfrei, wie sie in derart kurzer Zeit nur sein konnte. Doch es fehlte wie schon 2016 bei Hillary Clinton an einer ökonomischen Botschaft, warum man für sie und nicht nur einfach gegen Donald Trump stimmen sollte. Das zeigten besonders die herben Verluste bei der Minderheit der Latinos. Natürlich ist ein gewisser Grad an Sexismus nicht auszuschließen, doch es gab andererseits genug Menschen, die Harris allein aufgrund ihres Geschlechts die Stimme gaben. Ihr stärkstes Wahlkampfthema Abtreibung allein war jedoch zu wenigen wichtiger als die eigene wirtschaftliche Lage.

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Harris ist und bleibt keine wirklich linke Politikerin – das war ihr Vorgänger Biden auch nie; dennoch hatten ihm vor vier Jahren mehr Menschen zugetraut, abgehängten Teilen der Arbeiterklasse zu helfen. Geliefert hat er kaum. Doch dieser Wahlausgang ist leider auch noch längst kein Beweis dafür, dass weiter links stehende Kandidaten in den USA eine Siegchance hätten. Bernie Sanders hat es zweimal versucht und sich nicht einmal unter den Demokraten durchgesetzt.

Erstveröffentlicht im nd v. 7.11.2024
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186550.us-wahl-trump-gewinnt-die-wahl-usa-reiht-sich-in-welttrend-ein.html?sstr=Oliver|KERN

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