„Ein historisches Versagen“ der Partei DIE LINKE

Am Freitag, den 21. März 2025, haben die Regierungsvertreter der Länder Mecklenburg Vorpommern und Bremen im Bundesrat in einer Verfassungsänderung für unbegrenzte Kriegskredite gestimmt. In beiden Ländern ist die DIE LINKE Teil der Regierung. Es ist üblich, dass sich eine Koalitionsregierung im Bundesrat der Stimme enthält, wenn sie in einer Frage keine Einigkeit erzielt. Ein solche Enthaltung zählt dann im Bundesrat als Nein-Stimme. So hat die FDP in den Ländern Sachsen-Anhalt und Rheinland Pfalz, in denen sie mitregiert, dafür gesorgt, dass diese beiden Länder sich der Stimme enthalten haben, als über diese Verfassungsänderung abgestimmt wurde. Die FDP ist gegen eine unbegrenzte Verschuldung. Die BSW hat in den Ländern Brandenburg und Thüringen, in denen sie mitregiert, ebenfalls für Enthaltung ihrer Regierungsvertreter im Bundesrat gesorgt; sie ist gegen die Kriegskredite. Nicht so DIE LINKE in den Regierungen Mecklenburg Vorpommern und Bremen.

Noch am selben Tag verschickte die Partei DIE LINKEN eine E-Mail an die Mitglieder, in der der Bundesgeschäftsführer erklärte: „Auch in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern haben unsere Genoss*innen ihre ablehnende Haltung gegenüber der massiven Aufrüstung zu Protokoll gegeben. Aus Sicht der Bundespartei hätte das jedoch auch bedeuten müssen, im Bundesrat das Finanzpaket abzulehnen.“ Haben sie aber nicht. Weiter heißt es: „Wir als Linke werden geschlossen und auf allen Ebenen jeden Tag gegen diese Sparpläne kämpfen und den Sozialstaat entschieden verteidigen.“ Nein werden sie nicht, können sie gar nicht; denn das Geld, das für die Aufrüstung ausgegeben wird, kann nicht mehr für den Sozialstaat ausgegeben werden.

Zustimmung zu den Kriegskrediten heißt Zustimmung zur Kriegsvorbereitung. Diese Frage ist so wichtig, dass das Verhalten der LINKEN in den beiden Ländern Bremen und Mecklenburg-Vorpommern Konsequenzen haben müsste: Diejenigen, die das zu verantworten haben, dürften ihre Ämter auf keinen Fall länger ausüben dürfen. Aber es kann jetzt schon vorausgesagt werden: Das wird nicht geschehen.

Die Tageszeitung Junge Welt berichtet in ihrer Ausgabe vom 22./23. März, dass der LINKE-Abgeordnete im EU-Parlament Özlem Alev Demirel dieses Verhalten der LINKEN in den Landesregierungen auf X so kommentiert: „Dass Bundesländer mit LINKE-Beteiligung im Bundesrat ihre ihre Zustimmung für das Merz-Schulden- und Aufrüstungsprogramm nicht verweigern, ist ein historisches Versagen!

Wenige Tage zuvor hatte die LINKE noch im Bundestag gegen die Verfassungsänderung gestimmt. Doch die LINKE hätte diese Abstimmung mit den alten Bundestagsmehrheiten verhindern können. In der UZ vom 28. März 2025 gibt Andrej Hunko dazu folgenden Hinweis: „Im Urteil (des Bundesverfassungsgericht) hat das Gericht den Hinweis gegeben, dass sich der neue Bundestag konstituieren und damit eine Beschlussfassung im alten Bundestag verhindern könnte. Der Tenor an die Antragsteller war also: Macht es doch selbst. Die AfD hat daraufhin die sofortige Konstituierung beantragt. Dieses Vorgehen erschien mir schlüssig, zumal der Hinweis vom Verfassungsgericht kam. Die „Linke“ hat sich aber geweigert, das ebenfalls zu tun.“[1]https://www.unsere-zeit.de/tiefpunkt-in-der-parlamentsgeschichte-4801756/. Im neuen Bundestag ist eine 2/3 Mehrheit für eine Grundrechtsänderung nur mit der Partei DIE LINKE oder der AfD zu haben.

Schon am 19. September 2024 hatte die EU-Abgeordnete Carola Rakete, parteilos, aber für die LINKE in das EU-Parlament gewählt, in diesem Parlament in der Gesamtabstimmung über eine Ukraine-Resolution auch für die Lieferung von Taurusraketen an die Ukraine abgestimmt[2]https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/carola-rackete/fragen-antworten/meine-frage-ist-sie-haben-dafuer-gestimmt-fuer-eine-militaerische-hilfe-der-ukraine-obwohl-die-linke-gegen.

Das alles zeigt: In dieser wichtigsten aller Fragen ist auf die Partei DIE LINKE kein Verlass.

Ich werde mich, wie viele Andere, dafür einsetzen, dass sich alle, die gegen den Krieg sind, zusammenfinden. Das werden immer Menschen mit den unterschiedlichsten Anschauungen sein, Christen, Sozialisten, Atheisten, Demokraten, Pazifisten, Kommunisten, die aber in dieser einen Frage der Bekämpfung eines Krieges und des Militarismus fähig sind, gemeinsam zu handeln.

Und was die Partei DIE LINKE angeht: Man wird sich nach einer anderen Partei umsehen müssen, die konsequent antimilitaristisch ist und sich darauf besinnt, dass zwischen Militarismus und großem Kapital, das auf einen neuen großen Krieg zusteuert, eine untrennbare Einheit besteht.

„Whatever it takes“ – Wer zahlt wofür?

15. März 2025:

CDU/CSU und SPD haben beschlossen und die GRÜNEN – nach kleinen Änderungen – zugestimmt:

  • Schulden für die Infrastruktur, darunter auch Infrastruktur für das Militär.
  • Schulden für den Verteidigungshaushalt, den man besser Kriegshaushalt nennen sollte.

Für die Infrastruktur soll die Schuldenbremse mit einem Einmal-Betrag im Umfang von 500 Milliarden durchbrochen werden. Wenn das verbraucht ist, greift wieder die Schuldenbremse. Diese Einmal-Schulden werden Sondervermögen genannt.

Anderes soll für die Militärausgaben gelten. CDU/CSU und SPD haben beschlossen, die Schuldenbremse wieder abzuschaffen – aber nur für den Verteidigungshaushalt, nur für Raketen, Soldaten, Panzer, Waffen, Aufrüstung und Krieg. Merz hat das umständlich so ausgedrückt: „Die Ausgaben für Verteidigungsausgaben, die oberhalb eines Betrages liegen, der 1 Prozent unseres BIP (Bruttoinlandsprodukt) entspricht, sollen von den Beschränkungen der Schuldenbremse freigestellt werden.“ Das heißt: Für alle Ausgaben des Verteidigungshaushaltes, die „oberhalb eines Betrages liegen, der 1 Prozent des BIP entspricht“, gilt die Schuldenbremse nicht mehr. Oder anders gesagt. Für Militärausgaben kann der Bundestag in Zukunft „ohne Beschränkungen der Schuldenbremse“, Schulden machen – das heißt unbegrenzt.

Für das Sondervermögen von 500 Milliarden und für das Ende der Beschränkungen der Militär-Ausgaben brauchen CDU/CSU und SPD eine zwei Drittelmehrheit im Bundestag, weil das Grundgesetz geändert werden muss. Denn die Schuldenbremse wurde im Jahr 2009 von CDU/CSU und SPD im Grundgesetz festgeschrieben: Danach dürfen die Ausgaben im Bundeshaushalt nur wenig höher sein als die Einnahmen (Schuldenbremse), genauer: Um 0,35 Prozent des BIP.[1]Artikel 109 Abs. 3 i.V.m. Artikel 115 Grundgesetz Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) ist die Gesamtheit der Werte, die in Deutschland in einem Jahr erarbeitet werden. Im Jahr 2024 betrug das Bruttoinlandsprudukt 4.305,3 Milliarden €.[2]siehe statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Methoden/bip.html?nn=214136#doc90794bodyText1. Bruttoinlandsprodukt = … Continue reading 0,35 Prozent davon sind 15 Milliarden €. Also dürfen die Ausgaben nur um 15 Milliarden € höher sein als die Ausgaben.

Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Frage, ob nach den Wahlen mit den alten Mehrheiten von vor den Wahlen derart schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden können, stellen sich zwei Fragen:

  1. Wofür brauchen wir mehr Geld?
  2. Woher nehmen wir das Geld, das wir brauchen?

zur 1. Frage: Wir brauchen nicht immer mehr Geld für die Rüstung, für Raketen, für Waffen und Kriegsvorbereitung. Wir müssen uns ohne Krieg verständigen. Was haben denn die erreicht, die seit der von Scholz ausgerufenen Zeitenwende immer mehr Geld für diese Zwecke gefordert und auch bekommen haben? Eine zerstörte Ukraine und sehr viele Tote. Das Ende des Krieges wird die Ukraine zu Bedingungen bekommen, die sie schon wenige Monate nach Kriegsbeginn hätte haben können. Ein entsprechender Vertrag lag in Istanbul auf dem Tisch. Die USA und Großbritannien haben das damals verhindert. Auch bei uns haben die Parteien der ehemaligen Regierung und auch die CDU/CSU als Opposionspartei nichts getan, um den Krieg zu beenden. Sie alle sind mitverantwortlich für Tod und Zerstörung. Sie hätten den Krieg verhindern können. Und jetzt wollen sie noch mehr rüsten, noch mehr Kriegsvorbereitung. Wir brauchen das Geld für die Gesundheit, die 100 Milliarden für die Bekämpfung der Aufheizung des Klimas reichen nicht, wir brauchen das Geld für die Bildung, für unsere Kinder, für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, zum Beispiel der Bahn, damit sie endlich pünktlicher fährt. Jetzt kann man schon in den Tageszeitungenlesen, dass „militärische Zwecke, mit denen der riesige Schuldenplan oft begründet wird, den Infraplan oder Vergleichbares noch gehörig durcheinander werfen könnten.“[3]Die WELT vom 14. März 2025; … Continue reading Also: Keine Mehrausgaben für das Militär, wie auch immer sie finanziert werden!

Zur 2. Frage: Anstatt diejenigen, die über ein hohes Vermögen verfügen, stärker zu besteuern, wird seit Jahren darüber gesprochen, wie einfacher Schulden aufgenommen werden können. Das ist der Kern der Diskussion über die Schuldenbremse. Warum wird nicht das Geld da geholt, wo es ist – ohne Zinsen[4]Zur Höhe der Zinsen, die die Bundesrepublik zur Zeit für Kredite zahlt, siehe: … Continue reading? Aber scheinbar ist das Vermögen der Reichen unantastbar. Wenn jetzt Schulden gemacht werden, werden diese Schulden später von allen zurückgezahlt werden müssen, und das heißt vor allem von der breiten Masse der Deutschen und zwar mit Zinsen, weil es eben Schulden, also Kredite sind, die aufgenommen werden. Das ließe sich ändern: Durch eine Vermögenssteuer. Wenn jetzt Geld durch private Kredite hereingeholt wird, sorgen wir dafür, dass sich das Vermögen der Reichen verzinst, also aus dem Vermögen der Reichen noch mehr Vermögen dieser Reichen wird. Das Geld, das wir brauchen, muss durch Besteuerung des Vermögens dieser Reichen aufgebracht werden. Dann müssen wir weder Zinsen noch einen Kredit zurückzahlen. Die Vermögenssteuer, die 1997 abgeschafft wurde, muss wieder eingeführt werden. Dabei muss die Vermögenssteuer erheblich höher sein als ver.di vorschlägt[5]siehe ver.di zur Vermögenssteuer: https://www.verdi.de/themen/politik-wirtschaft/++co++ee49a8ae-fed7-11ed-9c41-001a4a16012a; zur Geschichte der Vermögenssteuer siehe das DIW: … Continue reading. Es muss zum Beispiel berücksichtigt werden, dass die Vermögenden seit 1997 keine Vermögenssteuer mehr gezahlt haben. Das Vermögen muss genau erfasst werden[6]seit die Vermögenssteuer abgeschafft wurde, wird das Vermögen nicht mehr genau erfasst und die Steuer auf das Vermögen so hoch sein, dass die notwendigen Ausgaben daraus (siehe Anwort auf Frage 1) finanziert werden können.

Die richtige Anwort wäre also gewesen: Für Gesundheit, Schutz des Klimas und der Umwelt, Bildung und den öffentlichen Nahverkehr mehr Geld nicht von uns, sondern von denen mit hohem Vermögen. Kein Geld für die Kriegsvorbereitung und Militär!

Doch Merz und mit ihm die CDU/CSU und SPD zu den zukünftigen Ausgaben für den Militärhaushalt wörtlich: „Whatever it takes.“ [7]Tagesschau vom 4. März 2025 20 Uhr. Wir sollen Aufrüstung und Krieg zahlen: Koste es, was es wolle.

References

References
1 Artikel 109 Abs. 3 i.V.m. Artikel 115 Grundgesetz
2 siehe statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Methoden/bip.html?nn=214136#doc90794bodyText1. Bruttoinlandsprodukt = Bruttowertschöpfung + (Gütersteuern – Gütersubventionen) = 3.899,4 Milliarden € + 405,8 Milliarde € = 4.305,3 Milliarden €. Bruttowertschöpfung in Deutschland im Jahr 2024 = produzierendes Gewerbe (ohne Baugewerbe) 902,2 Milliarden € + Handel, Verkehr, Gastgewerbe 640,9 Milliarden € + Grundstücks- und Wohnungswesen 385,5 Milliarden € + öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit 785,4 Milliarden € + Sonstige 1.185, 5 Milliarden € = 3.899,4 Milliarden €
3 Die WELT vom 14. März 2025; https://www.welt.de/politik/deutschland/article255692686/Milliarden-fuer-Infrastruktur-Viel-Geld-kein-Plan-Bei-der-Bahn-zeigen-sich-die-Schwachstellen-des-Sondervermoegens.html, abgerufen am 15.3.2025 um 17:44 Uhr. Dieses Zitat bezieht sich zunächst nur auf den Ausbau des Schienennetzes der Deutschen Bahn, doch es gibt keinen Grund, dass nicht auch in anderen Fällen Infrastrukturmaßnahmen, die dem Militär dienen, etwa Ausbau von Straßen, vorrangig behandelt werden.
4 Zur Höhe der Zinsen, die die Bundesrepublik zur Zeit für Kredite zahlt, siehe: https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/Ausgabe/2025/02/Inhalte/Kapitel-4-Wirtschafts-und-Finanzlage/4-5-kreditaufnahme-des-bundes.html
5 siehe ver.di zur Vermögenssteuer: https://www.verdi.de/themen/politik-wirtschaft/++co++ee49a8ae-fed7-11ed-9c41-001a4a16012a; zur Geschichte der Vermögenssteuer siehe das DIW: https://www.diw.de/de/diw_01.c.412762.de/vermoegensteuer.html; und zu verschiedenen Studien des DIW zur Vermögenssteuer: https://www.diw.de/de/diw_02.c.299125.de/projekte/studien_zur_vermoegensbesteuerung.html
6 seit die Vermögenssteuer abgeschafft wurde, wird das Vermögen nicht mehr genau erfasst
7 Tagesschau vom 4. März 2025 20 Uhr

Berufung gegenFU-Schmähkritikurteil

Ein Hinweis vorab: Im gesamten gesellschaftlichen Leben gibt es ein ausgefeiltes System von privat-, presse- und strafrechtlichen Möglichkeiten, mit denen sich derjenige wehren kann, der sich seine Persönlichkeitsrechte durch Veröffentlichungen verletzt glaubt. Das wird als ausreichend betrachtet. Nur im Arbeitsleben gibt es eine zusätzliche Möglichkeit der Sanktionierung: Die Abmahnung und (im gleichartigen Wiederholungsfall die Kündigung). Dabei dürfte bekannt sein, dass diese Sanktionierung in aller Regel nur in eine Richtung eingesetzt wird: Gegen die Beschäftigten.

Im Folgenden geht es darum, dass wegen einer Veröffentlichung eine Abmahnung erteilt wurde: Es geht um einen Aufruf, den die ver.di Betriebsgruppe und ihr Vorstand auf einer gewerkschaftseigenen Internetseite am 30. Januar 2024 veröffentlicht hatten. Darin hatten sie aufgerufen, sich an einer der zahlreichen Demonstrationen, die im Winter 2023/2024 gegen die AFD stattfanden, zu beteiligen. Ver.di hatte der FU auch vorgeworfen: Wer wie das FU-Präsidium Tarifverträge nicht einhalte, bekämpfe „aktiv Mitbestimmung und demokratische Prozesse“ und sorge „so für politischen Verdruss“. „Im Ergebnis“ fördere „auch die FU damit den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD, denen gewerkschaftliche Organisierung ebenfalls ein Dorn im Auge ist“. Diese Aussage ist der „Stein des Anstosses.“

Im Kern geht es um die sehr wichtige Frage, was eigentlich dazu führt, dass die AfD immer stärker wird. Wenn dazu nicht einmal mehr öffentlich Stellung genommen werden darf, wie soll dann die AfD wirksam bekämpft werden?

Zum FU-Schmähkritikurteil des Arbeitsgerichts Berlin gegen Aktive des Vorstandes der ver.di FU-Betriebsgruppe haben das Arbeitsgericht Berlin und ver.di Berlin-Brandenburg eine Pressemitteilung veröffentlich (siehe unter 1.) Auch die Anwälte haben sich zu Wort gemeldet (siehe unten 2). Sie haben Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt.

1. Presseerklärung von ver.di

Ver.di Berlin-Brandenburg nahm zu einer Abmahnung Stellung, die die FU gegen Aktive des ver.di Betriebsgruppenvorstands aussprach, und verteidigte das Recht auf freie Meinungsäußerung ebenso wie die Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften. Ver.di unterstützt die Klagen der Aktiven.

Hier die Presseerklärung von ver.di

2. Berufung gegen Schmähkritikurteil eingelegt: Stellungnahme der Anwälte

Im Folgenden eine Stellungnahme der Anwälte Reinhold Niemerg und Benedikt Hopmann zu einer Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin Nr. 01/25.

Das Arbeitsgericht begründete in seiner Pressemitteilung, warum es einem dieser Aktiven des ver.di Betriebsgruppenvorstands „Schmähkritik“ an der FU vorwirft.

Das Arbeitsgericht meint, in der Kritik fehlten „Anhaltspunkte in der Realität“; deswegen habe die FU die Abmahnung zu Recht erteilt. Dieses Urteil kommt dadurch zustande, dass das Arbeitsgericht die vorgetragenen und im Detail belegten Realitäten nicht zur Kenntnis genommen hat. Es wurden unter anderem Nichteinhaltung von Tarifverträgen und Tarifflucht durch Ausgliederung der Reinigungskräfte dargelegt und im Einzelnen belegt. Die Anwälte haben gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt.

Ein Auszug aus der Stellungnahme der Anwälte:

Schlechte Arbeitsbedingungen und das sich daraus ergebende Potential für Frust sowie Benachteiligungs- und Ohnmachtserleben – so zeigen die sozialwissenschaftliche Studien – sind ein Nährboden für die Entstehung anti-demokratischer Einstellungen, die dann von rechten Parteien mobilisiert werden können. Daher führt ein Verhalten, das das Vertrauen in den Bestand vereinbarter Tarifverträge erschüttert oder diese durch Tarifflucht in Form von Ausgliederung zu umgehen sucht und damit verunsichert und so antidemokratische Einstellungen fördert, im Ergebnis zu einem Rechtruck sowie zum Aufstieg der AfD.

Es ist eine der vorrangigen Aufgaben der Gewerkschaften, auf die gesellschaftspolitischen Auswirkungen hinzuweisen, die aus ihrem spezifischen Aufgabenbereich – der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen – resultieren können, und diese auch in Bezug auf die betriebliche Praxis der einzelnen Unternehmen konkret zu benennen und entsprechend zu adressieren.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin ist sowohl für die gewerkschaftliche Praxis und die Arbeit für die Betriebsgruppen in den Betrieben als auch mit Blick auf die künftige gesellschaftspolitische Entwicklung äußerst problematisch. Zum einen trägt es dazu bei, eine Tendenz zu befördern, dass pointiert vorgetragene gewerkschaftliche Kritik an den betrieblichen Zuständen vor Ort und ihre Einordnung in die gesellschaftspolitischen Entwicklungen sowie strukturellen Zusammenhänge in Zukunft von vornherein als Schmähkritik abgetan wird. Zum anderen ist es geeignet, die Arbeitgeber zu ermuntern, aktive Gewerkschaftsmitglieder in ihren Betrieben mit Abmahnungen und Kündigungsandrohungen zu überziehen, wenn diese sich kritisch hinsichtlich der vorherrschenden betrieblichen Verhältnisse äußern.“

Hier die vollständige Stellungnahme der Anwälte

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