Die folgende Rede hielt Benedikt Hopmann frei und in kurzer Fassung am 20. Mai 2021 vor dem
Reichstag, einen Tag vor der 2. und 3. Lesung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes. Hier kann
sie ausgearbeitet – mit Ergänzungen und den entsprechenden Quellenangaben versehen – in Langfassung nachgelesen werden. Sie ist auch auf der der Homepage des Arbeitskreises Internationalismus in der IG Metall Berlin nachzulesen.
Das Gesetz, das morgen im Bundestag beschlossen wird, soll das Betriebsverfassungsgesetz moder-
nisieren. Im ersten Entwurf war es noch Betriebsrätestärkungsgesetz genannt worden. Auch wenn es einige Verbesserungen bringt, ist der Schutz der Betriebsräte und der Schutz bei Betriebsratsgrün-
dungen keinesfalls ausreichend und schon gar nicht reichen die Mitbestimmungsrechte des Be-
triebsrates.
Ich möchte das an vier Beispielen deutlich machen:
- Schutz der Betriebsräte vor Behinderung und Störung
- Besserer Kündigungsschutz für diejenigen, die BR-Wahlen initiieren
- Mitbestimmung bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit
- Mitbestimmung bei Maßnahmen der Berufsbildung
1. Beispiel: Schutz der Betriebsräte vor Behinderung und Störung
Wenn es um einen besseren Schutz der Betriebsräte geht, ist es vollkommen richtig den § 119
Betriebsverfassungsgesetz in den Blick zu nehmen.
Wer will, dass auf dieser Grundlage eine Behinderung oder Störung der Tätigkeit des Betriebsrates bestraft wird, kann allerdings nicht einfach vor Gericht ziehen und das einklagen. Er ist vielmehr auf die Staatsanwaltschaft angewiesen. Und da liegt einiges im Argen. Das möchte ich an einem Beispiel deutlich machen:
In einem Betrieb gab es scharfe Auseinandersetzungen um den Einsatz von Leiharbeitskräften. Der Betriebsrat verweigerte jede Einstellung von Leiharbeitskräften, so dass sie der Unternehmer gerichtlich durchsetzen musste. Als später der Betriebsrat eine Betriebsversammlung durchführte, versuchte die Geschäftsführung diese Betriebsversammlung durch eine einstweilige Verfügung zu verhindern. Als das nicht gelang, sorgte die Geschäftsführung dafür, dass keine einzige Leiharbeitskraft auf der Betriebsversammlung erschien, obwohl das Arbeitnehmerüberlassungs-
gesetz den Leiharbeitskräften ausdrücklich das Recht dazu einräumt. Die verschiedenen Verleihfirmen hatten an ihre Leiharbeitskräfte nachweisbar E-Mails geschickt, in denen stand: Am
…. ist eine Sitzung in Eurem Einsatz-Betrieb, Ihr habt alle frei. Der Betriebsrat stellt über seinen
Anwalt Strafantrag gegen die Geschäftsführung wegen Behinderung bzw. Störung seiner Tätigkeit.
Der Staatsanwalt erklärte wenige Wochen später, dass er nicht gewillt ist, auch nur strafrechtliche
Ermittlungen einzuleiten. Das Verhalten der beschuldigten Geschäftsführung sei weder dazu
geeignet die Betriebsratsarbeit zu stören noch sie zu behindern.
Die Beschwerde gegen diese Einstellung mit einer ausführlichen anwaltlichen Begründung führte
dazu, dass zunächst einmal ein Staatsanwalt diesen Fall bearbeitete, dem die Arbeitswelt und das
Arbeitsrecht nicht völlig fremd ist. Dieser nahm strafrechtliche Ermittlungen überhaupt erst einmal
auf und entschied nach vielen Schriftsätzen mit Zustimmung des zuständigen Richters, das
Verfahren wegen geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse einzustellen. Das hieß: Der Tatbestand, der nach § 119 Betriebsverfassungsgesetz zur Strafbarkeit führt, war in vollem Umfang erfüllt, aber die Justiz wollte die Geschäftsführung ‚nochmal davonkommen lassen‘.
Dieses Beispiel sollte nicht als eine Empfehlung verstanden werden, keine Strafanträge wegen
Behinderung oder Störung der Betriebsratsarbeit zu stellen. Im Gegenteil! Es soll nur zeigen, dass
in der Strafjustiz das Verständnis für die Notwendigkeit strafrechtlicher Verfolgung bei der
Behinderung oder Störung von Betriebsratsarbeit fehlt. Die Einrichtung von Schwerpunkt-
Staatsanwaltschaften und ihre ausreichende Qualifizierung könnte helfen. Auch eine Verschärfung
des Strafrahmens wäre hilfreich. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass eine drohende schwerere
Strafe Unternehmer mehr abschreckt, die Arbeit von Betriebsräten zu stören oder zu behindern. Der
DGB schlägt als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vor wie dies für
Diebstahl nach § 242 StGB gilt.
Ein Strafantrag gegen den eigenen Arbeitgeber zu stellen, verlangt vom Betriebsrat viel Mut. Die
Strafverfolgung gegen den Arbeitgeber sollte dadurch erleichtert werden, dass dem Betriebsrat
dieser Mut nicht mehr abverlangt wird. Daher die berechtigte Forderung, das Delikt nach § 119
Betriebsverfassungsgesetz als Offizialdelikt einzustufen, so dass die Staatsanwaltschaft von Amts wegen tätig werden muss.
Von alldem findet sich allerdings in dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz nichts.
2. Beispiel: Besserer Kündigungsschutz für diejenigen, die BR-Wahlen initiieren
Bisher besteht nur ein Kündigungsschutz für Menschen, die Betriebsratswahlen vorbereiten, vom
Zeitpunkt der Einladung zur Wahlversammlung an, und auch nur für die ersten drei Personen, die in
dieser Einladung aufgeführt sind. Diese Zahl wurde von drei auf sechs Personen erhöht. Das ist eine
Verbesserung.
Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass auch ein besserer Kündigungsschutz schon vor der Einladung
zur Wahlversammlung notwendig ist, um die erstmalige Wahl eines Betriebsrates zu erleichtern;
denn diese erste Wahl wird häufig besonders heftig von Unternehmern bekämpft. Der noch im
Referentenentwurf vorgesehene Kündigungsschutz für diese Fälle wurde jedoch stark verwässert.
Eine außerordentliche Kündigung – weitgehend identisch mit der fristlosen Kündigung – sollte nach
dem ersten Referentenentwurf nur möglich sein, wenn der Arbeitgeber vorher die Zustimmung
beim Arbeitsgericht beantragt und das Arbeitsgericht der Kündigung zugestimmt hat. Diese Regelung, die eine außerordentliche/fristlose Kündigung, in diesen Fällen weitgehend verhindert hätte, ist entfallen. Dabei greift der Arbeitgeber gerade in Fällen, in denen ein Betriebsrat das erste Mal gewählt wird, besonders gern zur außerordentlichen/fristlosen Kündigung verbunden mit einem Hausverbot, um die Vorbereitung der Betriebsratswahlen schon im Keim zu ersticken. Neu ist jetzt nur noch das Verbot der ordentlichen Kündigung in solchen Fällen, aber auch das gilt nicht, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt .
3. Beispiel: Mitbestimmung bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit
In § 87 BetrVG, in dem Mitbestimmung des Betriebsrates bei Maßnahmen des Arbeitgebers in
sozialen Angelegenheiten aufgelistet werden, wurde als Ziffer 14 hinzugefügt: „Ausgestaltung von
mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird“. In der
Begründung zu dem Gesetz wird genauer bestimmt, was „mobile Arbeit“ ist und an Beispielen
dargelegt, welche Regelungen als „Ausgestaltung“ zu gelten haben .
Diese Erweiterung der Mitbestimmungsrechte durch die neu hinzugefügte Ziffer 14 ist zu begrüßen.
Auch wenn vieles auch ohne diese Ziffer 14 aufgrund schon bestehender Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz der Mitbestimmung unterliegt, gab es Rechtsunsicherheiten, die so
erheblich verringert wurden.
Ein großes Problem war bisher, dass im homeoffice häufig nicht die Voraussetzungen für die
Geltung des Unfallversicherungsschutzes erfüllt waren. Erst nach einer Anhörung im Ausschuss für
Arbeit und Soziales wurde diese Lücke durch eine Ergänzung im siebten Sozialgesetzbuch
geschlossen.
Für den Arbeitgeber bietet das homeoffice enorme Möglichkeiten Kosten zu sparen. Dies gilt vor
allem für Bürotätigkeiten. Die Arbeitgeber haben in den Zeiten der Covid-19 Pandemie ganze
Großraumbüros geschlossen. Jedenfalls werden sie darauf drängen, möglichst viele Büroräume
aufzugeben, die sie bisher bereithalten mussten. Es wäre ein großer Fehler, über die Probleme
hinwegzugehen, die die Arbeit im homeoffice für die Beschäftigten mit sich bringt. Die Arbeit für
den Arbeitgeber und die private Zeit, über die die Beschäftigten selbst verfügen, werden
miteinander vermischt; zudem werden die sozialen Kontakte eingeschränkt.
4. Beispiel: Mitbestimmung bei Maßnahmen der Berufsbildung
Der Vorsitzende der IG Metall Jörg Hoffmann hatte im Juni 2019 auf der großen Kundgebung der
IG Metall vor dem Brandenburger Tor mit Nachdruck Mitbestimmung der Betriebsräte bei der
Qualifizierung gefordert: „Die Uhr tickt – für uns alle: In vielen Betrieben fehlt es an einer
systematischen Personal – und Qualifikationsplanung. …, Und daher fordern wir die
Bundesregierung auf: Bringt endlich das Initiativrecht der Betriebsräte auf Weiterbildung! Stärkt die
Betriebsräte durch mehr Mitbestimmung um im Wandel Zukunftsvereinbarungen durchsetzen zu
können“.
Es gibt eine Mitbestimmung bei der betrieblichen Berufsbildung. Aber die setzt voraus, dass “der
Arbeitgeber Maßnahmen geplant oder durchgeführt hat, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der
betroffenen Arbeitnehmer ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung
ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen“ (§ 97 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz). Die IG Metall
hatte schon im Jahr 2019 einen Transformationsatlas vorgelegt, in dem sie auf der Grundlage von eigenen Erhebungen in den Betrieben nachwies, dass sehr viele Unternehmer sich auf kommenden Veränderungen gar nicht vorbereitet haben. Sie haben nichts Maßnahmen geplant. Und daher greift auch das Recht der Betriebsräte nicht, bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen. Es geht also allenfalls um spätere Anpassungsmaßnahmen, die auch zu spät kommen können. Ob unabhängig davon Maßnahmen zur beruflichen Fort- und Weiterbildung und welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen sind und welche finanziellen Mittel hierfür bereitgestellt werden, unterliegt nicht der Mitbestimmung.
Was haben nun aber SPD und CDU/CSU aus der Forderung der IG Metall gemacht, den
Betriebsräten mehr Mitbestimmung bei der Weiterbildung einzuräumen, um
Zukunftsvereinbarungen durchsetzen zu können?
In § 96 Absatz 1 heißt es schon seit vielen Jahren: „Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des
Betriebsrates den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm Fragen der Berufsbildung der
Arbeitnehmer des Betriebs zu beraten. Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen“ . Jetzt wurde hinzugefügt: „Kommt im Rahmen der Beratung nach Absatz 1 eine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung nicht zustande, können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung zu versuchen“ .
Eine Einigungsstelle ist immer paritätisch mit Vertretern des Arbeitgebers auf der einen Seite und
Vertretern des Betriebsrates auf der anderen Seite besetzt. Hinzu kommt die Person, die den Vorsitz
übernimmt. Entweder können sich beide Seiten auf eine Person einigen oder – wenn das nicht
gelingt – setzt auf Antrag einer Seite das Gericht diese Person ein. Die Verhandlungen in der
Einigungsstelle können lange und über mehrere Sitzung oder kurz dauern. Am Ende kommt es
immer darauf an, ob sich beide Seiten unter Vermittlung der oder vorsitzenden Person einigen
können. Gelingt keine Einigung, so kommt es darauf an, auf welche Seite sich der oder die
Vorsitzende der Einigungsstelle schlägt. Dann kommt es zu einem sogenannten Spruch, das heißt
eine Mehrheitsentscheidung der einen Seite zusammen mit dem oder der Vorsitzenden gegen die
andere Seite. Es ist nicht selten, dass eine Mehrheitsentscheidung gegen die Arbeitgeberseite
getroffen wird. Das weiß auch die Arbeitgeberseite und deswegen geht sie auf den Betriebsrat zu,
um eine Entscheidung gegen sich zu vermeiden. Selbst wenn die Arbeitgeberseite gewinnt, enthält
der Spruch häufig auch wichtige Elemente der Vorschläge der Betriebsratsseite. Und umgekehrt.
Selten setzt sich eine Seite voll durch. So funktioniert eine Einigungsstelle. Das nennt sich
Mitbestimmung: Der Arbeitgeber kann nicht mehr alleine entscheiden.
Anders aber im vorliegenden Fall. Denn hier hat die Einigungsstelle nur eine Einigung zu
„versuchen“. Das ist das entscheidende Wort: „versuchen“. Wenn der Versuch misslingt und die
Arbeitgeberseite nicht zu einer Einigung bereit ist, dann geht die Einigungsstelle aus wie das
‚Hornberger Schießen‘. Dann gibt es keine Einigung. Ob es trotzdem eine Regelung gibt,
entscheidet der Arbeitgeber ganz allein und, wenn es eine Regelung gibt, dann entscheidet der
Arbeitgeber auch allein über den Inhalt dieser Regelung.
Vorschläge konnte der Betriebsrat auch schon vorher machen. Das stand und steht so ausdrücklich
im Gesetz. Jetzt kann er seine Vorschläge in die Einigungsstelle bringen, aber mehr nicht. Mit
Mitbestimmung hat das nichts zu tun.
Die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte reichen nicht.
Es gibt nicht viele Maßnahmen des Arbeitgebers, bei denen der Betriebsrat ein
Mitbestimmungsrecht hat. Das gilt vor allem dann, wenn der Arbeitgeber umfassende Änderungen
im Betrieb vornimmt. Als Faustregel kann man sagen: Je mehr es um die Existenzgrundlage der
Beschäftigten geht, umso weniger haben die Betriebsräte zu sagen. In einem Paragraphen (§ 106
Absatz 3 BetrVG) sind alle sogenannten wirtschaftlichen Angelegenheiten aufgezählt, bei denen der
Betriebsrat nichts zu sagen hat. Wenn zum Beispiel ein wesentlicher Betriebsteil oder sogar ein
ganzer Betrieb stillgelegt wird, gibt es kein Mitbestimmungsrecht. Dieselben wirtschaftlichen
Angelegenheiten, auch die Stilllegung eines wesentlichen Betriebsteils oder sogar eines ganzen
Betriebs, tauchen wenig später unter dem Namen „Betriebsänderungen“ wieder auf (§ 111 BetrVG).
Und diese Betriebsänderungen werden nach demselben Verfahren zwischen Arbeitgeber und
Betriebsrat, wie wir es eben für die Berufsbildung beschrieben haben: Es ist das Verfahren
‚Hornberger Schießen‘. Ob ein Betrieb stillgelegt wird, ob er ganz oder nur zum Teil stillgelegt
wird, wann und wie die Stilllegung durchgeführt wird – alle diese Fragen gehen in die
Einigungsstelle. Wenn dann aber er Arbeitgeber Nein sagt, sind die Verhandlungen beendet. Die
Freiheit des Kapitals ist die Unfreiheit der Beschäftigten.
Daran hat sich nichts geändert – trotz allen Getöses, das so gerne um die deutsche Mitbestimmung – gerne auch noch verkauft als der Gipfel der Sozialpartnerschaft – gemacht wird.
Und dabei kann ein Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte zur Berufsbildung tatsächlich nur ein
erster Schritt sein, um die enormen Aufgaben zu meistern, wie sie Jörg Hoffmann auf der
Kundgebung im Jahr 2019 eindringlich beschrieben hatte: „Wir stehen mitten in einer gewaltigen
Umbruchphase … In allen Betrieben, allen Branchen, allen Regionen … Es ist die Digitalisierung
… Sie krempelt unsere Arbeitswelt um und greift tief in unseren Alltag ein. Und es ist der
notwendige ökologische Umbau für den Sprung von Wirtschaft und Industrie in ein nichtfossiles
Zeitalter. … Der Kapitalismus war immer schon gleichzeitig dynamisch, kreativ und zerstörerisch …
Wir wissen: Ohne uns Gewerkschaften, ohne eine demokratische Zivilgesellschaft würde diesesSystem keine Rücksicht nehmen: Weder auf die Menschen noch auf die Natur. … Die Uhr tickt:
Allein in den nächsten 15 Jahren werden 1,5 Millionen Jobs durch die Digitalisierung wegfallen.
Uns treibt die Frage um: Wie gelingt es, diese 1,5 Millionen Beschäftigte auf eine grundsätzlich
neue Arbeit vorzubereiten? … Grüne Energie und grüne Mobilität darf nicht zu prekärer Arbeit und
Niedriglöhnen führen. …“.
Ich hatte damals diese Rede von Jörg Hoffmann in der Jungen Welt so kommentiert: „Die
Betriebsräte müssten nicht nur ein Initiativrecht bekommen, um eine ausreichende Qualifizierung
der Beschäftigten für die Tätigkeit an den Ersatzarbeitsplätzen durchsetzen zu können. Sie müssten
auch ein Initiativrecht bekommen, um umweltfreundliche Ersatzarbeitsplätze durchsetzen zu
können. Sie müssten auch Regelungen über die notwendigen Investitionen für umweltfreundliche
Ersatzarbeitsplätze durch den Arbeitgeber erzwingen können. Sie brauchten ein als Initiativrecht
ausgestaltetes Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten, also in den
Angelegenheiten, bei denen über das „Was“, das „Ob“, „Wann“, „Wo“, „Wie“ und den „Umfang“
einer Produktion oder Dienstleistung entschieden wird. Es geht darum, den guten
gewerkschaftlichen Anspruch nach einer ökologischen, sozialen und demokratischen
Transformation auch durchsetzbar zu machen“.
Der lange Kampf für mehr Betriebsräte-Rechte
Die Geschichte des Kampfes um mehr Recht für Betriebsräte ist eine lange Geschichte
Wir sind hier zu einer kleinen Kundgebung mit rund 50 Menschen versammelt und der Aktion ./.
Arbeitsunrecht ist zu danken, dass sie diese Kundgebung organisiert hat.
Vor über 100 Jahren standen hier am 13. Januar 1920 mehr als hunderttausend Menschen. Es ging
um die Lesung des Betriebsrätegesetzes im Reichstag. Um die Mittagszeit stellten die Beschäftigten
in praktisch allen großen Betrieben die Arbeit ein, auch Beschäftigte aus kleinen und mittelgroßen
Betrieben waren dabei. Aus allen Himmelsrichtungen waren hierher geströmt. Auch Kolleginnen
und Kollegen von Siemens, Daimler – Marienfeld und Otis waren dabei – Betriebe, die heute noch
existieren. Alle waren empört, weil nichts von dem geblieben war, was sie gefordert hatten. „Hoch
die Räteorganisation“ und „Her mit dem vollen Mitbestimmungsrecht“ stand auf den Schildern, die
sie mit sich trugen. An der Spitze wurden rote Fahnen vorangetragen. Auch Kinder und Jugendliche
waren dabei.
Und dann geschah Furchtbares. Die paramilitärische Sicherheitspolizei schoss in die Menge. 42
Tote und über 100 Verletzte war die Bilanz. Der Historiker Axel Weipert, der dieses Verbrechen
gründlich untersucht hat, sagt: „Damit handelt es sich um die blutigste Demonstration der
Deutschen Geschichte. Dennoch erinnert nirgendwo eine Gedenktafel an dieses Ereignis“. Die Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfeld erinnert zwar zusammen mit den Opfern der Kämpfe im März 1919 und zusammen mit vielen, die später von den Faschisten umgebracht wurden, auch an die Toten dieser Kundgebung vom 13. Januar 1920, aber eine Gedenktafel hier am Tatort selbst, die an dieses Ereignis erinnert, fehlt.
Wir stünden heute nicht hier, wenn es nicht die Revolution von 1918 /19 gegeben hätte. Ohne die
Revolution von 1918 /19 und die Rätebewegung gäbe es heute keine Betriebsräte. Wir stünden nicht
hier mit unseren Forderungen, Betriebsräte zu gründen, sie zu schützen und sie stark zu machen.
Wir reihen uns also ein in eine lange Geschichte des Kampfes um unsere Rechte. Und diese
Geschichte wird weitergehen. Die Betriebsräte sehen in ihrem Alltag, dass sie oft nicht so handeln
können wie sie handeln möchten, weil ihnen die Rechte fehlen. Und daher wird es weiter Menschen
geben, die für ihre Befreiung kämpfen.